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Archiv-Artikel

Ankläger fordern Höchststrafe

JUSTIZ Im Brunner-Prozess sind die Plädoyers gesprochen. Staatsanwaltschaft und Nebenkläger bleiben beim Mordvorwurf – aber nur noch gegen einen der Angeklagten

Aus Sicht der Verteidigung hatte Brunner mit dem ersten Faustschlag eine Mitschuld

MÜNCHEN dpa/rtr/apn | Die Verantwortung für die Eskalation liege „glasklar“ bei den Angeklagten, betonte für die Nebenklage Anwältin Annette von Stetten, die die Eltern des Opfers vertritt. In bewegenden Worten schilderte sie, was der Tod des einzigen Sohnes für die über 80 Jahre alten Eltern bedeute. „Ich möchte, dass Sie beginnen zu verstehen, was Sie getan haben“, sagte die Anwältin mit Blick auf die Angeklagten. „Sie haben neben Dominik Brunner auch seine Eltern auf dem Gewissen.“ Brunners Eltern seien krank und kämen über seinen gewaltsamen Tod wohl nie hinweg. Die Mutter sei zum Pflegefall geworden, der Vater leide unter einer schweren Depression. Es gelinge ihnen nicht einen Moment, die Trauer um ihren Sohn zu vergessen.

Die Staatsanwaltschaft hat im Brunner-Prozess lange Haftstrafen von zehn und acht Jahren für die beiden Angeklagten gefordert. Gegen den mutmaßlichen Haupttäter Markus S. (19) hielt die Anklagebehörde am Dienstag in München am Mordvorwurf sowie dem der versuchten räuberischen Erpressung gegen vier Schüler fest. Dafür verlangte die Staatsanwaltschaft die höchstmögliche Jugendstrafe. Der ebenfalls angeklagte Sebastian L. (18) soll indes wegen Körperverletzung mit Todesfolge sowie versuchter räuberischer Erpressung mit acht Jahren Haft bestraft werden.

Die Nebenklage schloss sich der Strafforderung an und wertete die Anträge der Anklagebehörde als angemessen. Die Verteidigung plädierte am Nachmittag auf „deutlich weniger als sieben Jahre“ für Markus S. Erst als Brunner am Boden lag, sei eine „bedingte Tötungsabsicht“ bei ihm anzunehmen gewesen. Den Ausschlag habe der Erstschlag Brunners gegeben.

Strafmildernd wertete die Anklage, dass Sebastian L. eine Tötungsabsicht nicht zweifelsfrei nachzuweisen sei. Er hatte nach Zeugenaussagen nicht mehr auf Dominik Brunner eingetreten, als dieser am Boden lag. Außerdem habe er Markus S. noch zu bremsen versucht und während der fast einjährigen Haft Reue gezeigt.

Dass Brunner nicht direkt an den schweren Verletzungen starb, sondern an Herzstillstand infolge eines vergrößerten Herzmuskels, war für die Strafandrohung unerheblich. Da der Herzstillstand von der massiven Gewalt unmittelbar ausgelöst worden sei, wertete die Anklagebehörde diesen Aspekt nicht als Grund, von ihrem Mordvorwurf abzurücken.

Staatsanwältin Käbisch betonte die Brutalität der Tat: „Dominik Brunner würde ohne die Angriffe der Angeklagten noch leben.“ Er sei mindestens 15 Mal geschlagen und auch noch traktiert worden, als er schon wehrlos am Boden gelegen habe. Mindestens 22 Spuren von Gewalt seien gefunden worden, darunter auch ein Schuhabdruck an der Schläfe des 50-Jährigen. Brunner, der posthum das Bundesverdienstkreuz verliehen bekam, starb zwei Stunden nach der Tat an Herzversagen.

Die beiden Angeklagten hatten den 50-jährigen Brunner am 12. September vorigen Jahres auf dem S-Bahnhof München-Solln mit Schlägen und Tritten traktiert, nachdem er vier Schüler gegen sie verteidigt hatte. Von den Schülern hätten die Jugendlichen Geld erpressen wollen. „Er wurde getötet, weil er Zivilcourage zeigte“, sagte Staatsanwältin Verena Käbisch. Während für Markus S. der Mordvorwurf aus niederen Beweggründen zutreffe, sei Sebastian L. „einen Zentimeter vom Tötungsvorsatz entfernt“ gewesen.

Anlass und Tat stünden in einem krassen Missverhältnis. Daran ändere auch nichts, dass Brunner, wie sich im Laufe des Verfahrens zeigte, den ersten Schlag am Bahnhof Solln ausführte. „Dominik Brunner ging völlig zu Recht von einem bevorstehenden Angriff aus“, urteilte die Staatsanwältin. Er habe also aus Notwehr gehandelt. Die Schläge der Angeklagten seien der Grund für seinen späteren Tod gewesen.

Nach dem Angriff war eine bundesweite Debatte über Zivilcourage entflammt. Das Urteil im Brunner-Prozess soll am 6. September gesprochen werden.