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Archiv-Artikel

Das Brett der Frauen

Sie kommen aus ganz Niedersachsen und sind eine der wenigen weiblichen AC/DC-Coverbands, die es bundesweit gibt: Black/Rosie nutzen das All-Girl-Prinzip als Verkaufsargument. Und setzen ansonsten auf musikalisches Können und die gut gelaunte Party mit der Über-30-Peer-Group

„Ihr seid gar keine Frauen. Ihr spielt ja wie Kerle“ – „Irre, dass so ein kleines Mädel so Gitarre spielt“

von Klaus Irler

Er könnte Jens heißen und er hat heute Durst. Kurz nach 20 Uhr sitzt er mit seinem ersten Bier vor der Bühne in der Musikkneipe Riff in Hamburg-Volksdorf, gleich nach dem Einlass, als die Band noch an der Abmischung tüftelt. Gaby, die Gitarristin, springt zwischen Bühne, Zuschauerraum und Mischpult hin und her, die Gitarre um den Hals, und fragt nach, wie es klingt. „Der Gesang könnte noch lauter sein“, sagt Jens. Also wird nachgeregelt. Cover-Band heißt, dass das Publikum möglichst kriegen soll, was es erwartet.

Und doch folgt nicht alles dem Erwartbaren an diesem Abend am Rand von Hamburg. Es geht um die Band AC/DC, die ihre harten Bluesrock-Gitarren so unbeirrbar mit Testosteron angereichert hat, dass sie zum Klassiker geworden ist. Eine Band mit behaarter Brust, und das immer im Dienst der pubertären Revolution – Gitarrist Angus Young trägt bis heute seine Schuluniform auf der Bühne.

Testosteron und Schuluniform gibt es bei Black/Rosie nicht, aber wenn Gitarristin Gaby auf dem Handy angerufen wird, dann kommt das Gitarren-Tapping von „Thunder“ als Klingelton. Black/Rosie ist eine All-Girl-Band, so heißt es in der Szene, und Gaby ist Profi. Vielleicht lässt sie gerade deswegen die Schuluniform von Angus Young weg und trägt statt dessen lieber eine enge schwarze Hose mit rundem Metall-Schmuck an der Naht. Und eine schwarze Weste, auch mit Metall, so, wie das Ende der 70er bei Gitarren-Rock-Bands üblich war.

Wenn Gaby unter der großen Disco-Kugel auf der Bühne des Riff zum Solo ansetzt, dann schütteln sich die langen glatten Haare vor‘s Gesicht. Ganz klassisch, ebenso wie der Besuch bei Claudia, der Rhythmusgitarristin, die ansonsten das tut, was ihr Pendant im Original: Das Gitarren-Brett legen. Breitbeinig und dezent bauchfrei zwischen schwarzer Bluse und schwarzen Schlaghosen. Bereit, den Jungs zuzuprosten und sich nichts dabei zu denken, wenn bei ihr im Glas Mineralwasser ist.

Die beiden Gitarristinnen und die Bassistin kommen aus der alten Schule des Rock, aus der Zeit, als die Lederjacken noch Fransen hatten. Die 30 haben sie gut überschritten. Schlagzeugerin Anja aber hört auch gerne Rammstein, und Sängerin Karo trägt zur Jeans ein T-Shirt, auf dem „Du W*chser“ steht. Ihre schwarzen Lederstiefel tauscht Karo nach der Pause gegen die bequemen Turnschuhe. Ihr Ding ist die Melissa Etheridge-Rockröhre, der warme Ton des alten Bon Scott, der in der Tat nicht aus einer männlichen Kehle kommen muss. Karo ist die einzige bei Black/Rosie unter 30.

Jens dagegen dürfte um die 40 sein, wie die Meisten an diesem Abend im Riff. Jens sagt: „Ich habe mit 16 beim Tee-Trinken mit einem Kumpel immer das Licht ausgemacht und dann zu AC/DC Luftgitarre gespielt.“ Heutzutage hört er AC/DC gerne freitags, wenn die Arbeitswoche in der Behörde hart war und seine Frau fernsehen will. „Dann setze ich mir den Kopfhörer auf. Da kann man gut Stress abbauen“, sagt Jens, der an diesem Abend ein gestreiftes Hemd zur hellen Jeans trägt und jene Zigaretten raucht, in denen dem Tabak nichts zugesetzt ist. Er bestellt heute nur große Biere. Dass AC/DC an diesem Abend eine Frauenband ist, fand er lustig. „Aber ich wäre auch sonst gekommen.“

Trotzdem: Warum eine Frauenband, um AC/DC zu covern? „Davon gibt‘s nicht so viele“, sagt Gaby. „Es ist ein Verkaufsargument.“ Vier weibliche AC/DC-Coverbands sind es bundesweit, in Süddeutschland beispielsweise die Hells Belles, bei denen die Hannoveranerin Gaby auch schon gespielt hat. Zusammen mit der Rhythmusgitarristin Claudia, die damals immer von Osnabrück aus zu den Konzerten in den Süden reiste. Bassistin Angie kannten sie aus Hannover, die Sängerin Karo aus Wernigerode im Harz haben sie über das Internet gefunden, und Schlagzeugerin Anja kommt aus Braunschweig. Gaby macht professionell Musik, Bassistin Angie arbeitet daran. Für die anderen läuft die Band nebenher.

Worum es geht für Black/Rosie, das sind Engagements auf Stadtfesten und Biker-Treffen, denn dort lässt sich Geld verdienen. Im Riff dagegen spielen sie auf Eintritt und allzu viele sind nicht gekommen an diesem Samstagabend.

Dann gehen die sanft geballten Fäuste nach oben. Unvermittelt, die Regung kommt von innen: Jens feiert. Es könnte bei „TNT“ gewesen sein oder bei „Highway to Hell“, egal, es funktioniert, weil es nur Hits gibt und Black/Rosie sehr nah dran sind am Original. Bis auf den Background-Gesang, da fehlt ihnen die Tiefe.

Der Unterschied zwischen Angie, Claudia, Anja und einer Jungs-Band ist das Dauer-Lächeln auf den Lippen. „Rock muss für mich immer ein gutes Ende haben“, sagt Angie. „Eine positive Ausstrahlung.“ Aber AC/DC? Ging es da nicht vor allem um Macho-Herrlichkeit? „Das ist nicht so ernst gemeint bei denen“, sagt Angie.

Und das Publikum? „Skeptische gibt‘s generell“, sagt Anja. Aber auf die Skepsis folgen nach den Konzerten Sätze wie: „Ihr seid gar keine Frauen. Ihr spielt ja wie Kerle.“ Oder, von Mann zu Mann: „Ich finde das irre, dass da so ein kleines Mädel so Gitarre spielt.“ Wobei sich „klein“ nicht auf das Alter, sondern auf die Körpergröße bezieht. Als Vergleichsgröße dient der Umfang des ergrauten männlichen AC/DC-Fans, der die Biere der ersten Jahre schon hinter sich hat.

Black Rosie machen den Sex von AC/DC nicht explizit zum Thema, sie bedienen sich bei jenen Gesten und Klamotten, die Grundausstattung sind im Old-School-Rockgeschäft. Der Blickfang funktioniert vor allem über das Können. Außerdem trifft sich da eine Über-30-Peer-Group und die Schwelle zwischen Zuschauerraum und Bühne ist niedrig. Jens zum Beispiel reißt es dann doch noch vom Stuhl auf die Tanzfläche, und weil das vielleicht nicht so oft vorkommt, geht er in der Pause hin zum Tisch der Band und besorgt sich ein Autogramm – als Erinnerung eher denn als als Devotionalie. „Karo“, „Angie“, „Claudia“ und „Anja“ steht da, Nachnamen gibt‘s keine. Dafür hat Gaby fünf Notenlinien gezogen und ihren Namen da rein geschrieben. Aber eine Schuluniform, die wird sie nie anziehen.

Nächste Auftritte: 26. August, Quedlinburg, Intershop; 3. September, Gifhorn, Altstadtfest; 23. September, Nienburg/Weser, Altstadtfest; 30. September, Hannover, Labor V