„Wir scheren uns einen Deubel um Politik“

In Sachen Forsmark stellt sich ein Atom-Gutachter vor den von SPD und Grünen attackierten FDP-Umweltminister aus Niedersachsen. Dafür greift die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg nun Grünen-Chef Fritz Kuhn an

Ein „Demo-Einsteigerpaket“ mit Sprühflaschen, Luftballons und einer geknickten Sonnenblume hat die Bürgerinitiative Umweltschutz in Lüchow-Dannenberg (BI) gestern an Fritz Kuhn geschickt. Die Wendländer sind stinksauer, weil sich der Grünen-Chef mit „erschreckend verharmlosenden Reaktionen“ zur „Beinah-Katastrophe“ im schwedischen Atommeiler Forsmark I geäußert habe. Die „Selbstzufriedenheit“ des einstigen BI-Bündnispartners mit der „Bestandsgarantie für Atommeiler“ findet die Initiative „schlicht zum Kotzen“ – und meint damit das unter Rot-Grün vereinbarte Abschalten des letzten Atommeilers um das Jahr 2020. Katastrophen könnten „nur verhindert werden, wenn die Atomreaktoren sofort abgeschaltet werden“.

Kann in deutschen AKW ein Störfall wie in Schweden passieren? „Wir schließen eine 1:1-Übertragbarkeit zur Zeit aus“, sagt Helmut Helmers vom TÜV Nord. Außerdem nimmt der Geschäftsführer der TÜV-Tochter Ensys den niedersächsischen Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) vor Attacken von SPD und Grünen in Schutz. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte behauptet, Niedersachsen habe sich als einziges Bundesland bei der Überprüfung seiner AKWs nicht auf unabhängige Gutachter verlassen, sondern schlicht die Stellungnahmen der Betreiber übernommen (taz berichtete). Dagegen betont Helmers, der TÜV habe frühestmöglich Parallelen zwischen den drei niedersächsischen AKW Unterweser, Grohnde und Emsland und dem schwedischen Reaktor überprüft. Auf „informellem Weg“ hätten die TÜV-Leute Entwarnung ans Ministerium gefunkt – ähnliches hatte Haus Sander behauptet. Von einem „Persilschein“ oder „Blankoscheck“ des Ministers für die AKW-Betreiber – wie von SPD und Grünen behauptet – will Helmers nichts hören. Ein schriftliches Gutachten sollte gestern den TÜV Richtung Sander verlassen. Dieser habe „den Auftrag einfach nicht so knapp terminiert“, sagt Helmers.

Auch den Vorwurf, TÜV, AKW-Betreiber und ein atomfreundlicher Minister steckten unter eine Decke, weist der Diplom-Ingenieur von sich: „Unsere Leute sind kompetent“, sagt Helmers, „wir scheren uns einen Deubel um die Politik.“ Seit 40 Jahren sorge der TÜV mit etwa 1.000 Mitarbeitern für sichere Atomkraftwerke im Land. Zwar seien die Kontakte zu den Betreibern „eng“. Aber: „Ob denen unser Urteil gefällt“, betont Helmers, „interessiert uns überhaupt nicht.“KAI SCHÖNEBERG