DIE WERBEPAUSE : Keine Zeit
Der Wald ist ein guter Ort zum Grübeln, zum Seele-baumeln-Lassen und Abschalten. Jetzt, im ausklingenden Winter, lassen die kahlen Baumwipfel Licht auf die torfigen Wege scheinen, und das liegen gebliebene Laub raschelt so schön beruhigend. Blöd, wenn man hier arbeiten muss.
„Die Redaktion hat mich losgeschickt, die Whistleblower zu finden.“ Der blonde Mann, den die Kamera durch den Wald verfolgt, denkt laut, nur für den Zuschauer hörbar. Seit zwei Tagen ist der Journalist hier unterwegs, raunt eine Stimme, um seine Mission zu erfüllen: eine wirklich gute Geschichte finden.
Daran hängt seine Existenz. Nur wenn seine Recherche zu einem druckbaren Ergebnis führt, wird er dafür bezahlt – denn der Mann ist freier Journalist.
Der Werbespot stammt aus der geistigen Feder der Freischreiber, des Berufsverbands freier JournalistInnen. Er ist Teil einer Kampagne, die auf die Arbeitsbedingungen von Freien in der Medienbranche aufmerksam machen soll – und eine Replik auf die Zeit, die gerade mit ihren Starautoren und dem Slogan „Für die Zeit“ für sich wirbt. In fünf kurzen Kinospots präsentieren sich die Aushängeschilder der Wochenzeitung und sinnieren über Qualität und gesellschaftliche Bedeutung des Journalismus, über sich, ihr saturiertes Leben und die Möglichkeiten, die es ihnen bietet. Dabei sieht man sie im Wald, im Taxi, auf der Fähre, auf dem Fahrrad und am Bistrotisch, entspannt und ohne Zeitdruck. An Orten der Muße also, die man gerne besucht, um anschließend gute Geschichten zu schreiben. Zumindest wenn man fest angestellt ist und für die Arbeitszeit bezahlt wird – nicht nur für das Ergebnis.
Analog dazu haben die Freischreiber fünf eigene Spots produziert, um die Zeit „in ihrem Kampf für den Qualitätsjournalismus zu unterstützen“, wie es heißt. Freie JournalistInnen erzählen auf www.für-die-zeit.de von ihrer berufliche Situation: von unbezahlten Recherchetagen ohne Spesen, von Redaktionen, die unklare Aufträge vergeben und schlecht zahlen.
So wollen die freien JournalistInnen für sich und für faire Bedingungen werben. Denn: „Freier Journalismus kann manchmal ganz schön beschissen sein“, denkt der Mann im Wald.
LAN-NA GROSSE