Alles nicht ganz koscher

Merkwürdigkeiten bei der Stimmenauszählung. Im Kongo häufen sich die Vorwürfe von Wahlfälschungen. Noch führt Kabila mit absoluter Mehrheit

VON DOMINIC JOHNSON

Je weiter die Stimmauszählung der Wahlen vom 30. Juli in der Demokratischen Republik Kongo voranschreitet, desto lauter werden die Vorwürfe, ein massiver Wahlbetrug zugunsten des amtierenden Präsidenten Joseph Kabila sei im Gange. 15 der 33 Präsidentschaftskandidaten sprachen am Freitagabend gemeinsam von „flagranten und massiven Unregelmäßigkeiten auf dem gesamten Staatsgebiet“ und kündigten an, die Wahlen nicht anzuerkennen. Sie „entsprechen nicht den Minimalbedingungen von Transparenz, bringen keinen Frieden und können keine neue demokratische Ordnung hervorbringen“, hieß es in der Erklärung, die Roger Lumbala, ein ehemaliger nordostkongolesischer Rebellenführer, in Kinshasa vorstellte. Die 15 Kandidaten sind allesamt bei den Wahlen erfolglos geblieben und gehören zu jenen, die bereits vor den Wahlen eine Wahlverschiebung gefordert hatten, nachdem bekannt geworden war, dass die Wahlkommission für 25,7 Millionen registrierte Wähler mindestens 30 Millionen Stimmzettel hatte drucken lassen. Was mit den überzähligen Stimmzetteln passiert ist, lässt sich heute angesichts des Chaos beim Transport der abgegebenen Stimmen von den knapp 50.000 Wahllokalen in die 62 Sammelzentren der Wahlkommission nicht mehr eindeutig feststellen.

Die Vernichtung von Stimmzetteln in Kinshasa hat Misstrauen genährt, ebenso zahlreiche von Beobachtern bezeugte Fälle, in denen Wähler im Wahllokal abgewiesen wurden, weil die Nummer ihrer Wahlkarte schon von jemand anderem benutzt worden war. In Kinshasa wurde zudem die Festnahme von sechs Angestellten der Wahlkommission gemeldet, die im Wahlkreis Kinshasa I beim Fälschen von Ergebnisprotokollen erwischt worden sein sollen. Gegenüber der taz bestätigte ein Sprecher der Wahlkommission die Vorwürfe, dementierte aber eine Auswirkung auf die schleppende Auszählung in der Hauptstadt.

Im Osten des Kongo soll es massiven Druck auf des Lesens unkundige Wähler gegeben haben, ihr Kreuz bei Joseph Kabila zu machen, manche Oppositionelle sprechen auch vom nachträglichen Füllen der Wahlurnen mit Kabila-Stimmen dort. Dass in einigen ostkongolesischen Gebieten mit der schlechtesten Infrastruktur und der größten Unsicherheit die amtlich ermittelte Wahlbeteiligung höher war als überall sonst, die Stimmauswertung schneller ging als in den meisten großen Städten und die Mehrheit für Kabila Rekordwerte erreichte, wird von internationalen Beobachtern verwundert zur Kenntnis genommen. In Oppositionskreisen kursieren jetzt Aufrufe zu einem „Volksaufstand“, sollten die Wahlen einen Sieg Kabilas im ersten Wahlgang bringen. Die bislang veröffentlichten Teilergebnisse, die sich am Wochenende auf ein Viertel der Wahllokale des Kongo erstreckten, geben Kabila derzeit 52,1 Prozent, gefolgt vom früheren Rebellenführer Jean-Pierre Bemba mit 19,6 Prozent. An dritter Stelle liegt mit 3,7 Prozent Nzanga Mobutu ein Sohn des verstorbenen langjährigen Diktators Mobutu Sese Seko, der in der nordwestkongolesischen Heimatregion der Mobutu-Familie die absolute Mehrheit erzielte. Die Zahlen sind keine Hochrechnungen im klassischen Sinne, da nur die fertig ausgewerteten Wahlzentren zusammengezählt wurden.

Noch fehlen Ergebnisse aus der Hauptstadt Kinshasa sowie aus fast allen Teilen der Nachbarprovinz Bandundu und der zentralkongolesischen Kasai-Provinzen; dies sind alles Hochburgen von Kabilas Gegnern. Die Wahlkommission will bis 20. August das amtliche Endergebnis der Präsidentschaftswahl vorlegen und bis 4. September das der Parlamentswahlen. Sollte kein Präsidentschaftskandidat über 50 Prozent kommen, gibt es am 29. Oktober eine Stichwahl.