: Caracas rot-weiß
VENEZUELA Der gesuchte Oppositionsführer Leopoldo López stellt sich, die befürchtete Gewalt in der Hauptstadt blieb aber aus
VON JÜRGEN VOGT
BUENOS AIRES taz | Venezuela hat am Dienstag einen spannungsgeladenen Tag in Rot und Weiß erlebt. Tausende Anhänger der Opposition in weißen Hemden und der Regierung in roten Hemden demonstrierten in der Hauptstadt Caracas auf getrennten Kundgebungen für Frieden und gegen Gewalt. Ein massives Aufgebot an Polizei und Nationalgarde sorgte dafür, dass sich die beiden Gruppen an keinem Ort in der Stadt begegneten.
Der wegen Anstachelung zur Gewalt mit Haftbefehl gesuchte Oppositionsführer Leopoldo López stellte sich den Behörden und wurde festgenommen. Am Mittwoch wollte der Haftrichter über seinen weiteren Verbleib entscheiden.
Die zuvor befürchteten gewaltsamen Auseinandersetzungen blieben aus. Starke Regenfälle sorgten am frühen Abend dafür, dass sich die Kundgebungen schnell auflösten. Schwere Krawalle wurden dagegen aus Valencia gemeldet. In der drittgrößten Stadt Venezuelas wurden mindestens acht Demonstranten verletzt, mindestens drei von ihnen durch Schüsse.
López marschierte nicht, wie angekündigt, zum Innenministerium. Dort wollte er Dokumente übergeben, die zeigen sollten, wer für die Gewalttaten bei den Protesten am vergangenen Mittwoch verantwortlich war. Drei Personen waren dabei ums Leben gekommen, darunter der Student Bassil Dacosta und der Regierungsanhänger Juan Montoya. Beide waren von bisher Unbekannten erschossen worden.
Möglicherweise wäre unter den Dokumenten auch Bildmaterial gewesen, das den Mitarbeiter des Geheimdienstes Sebin, Melvin Collazos, zeigte, wie er an dem Ort, an dem Dacosta erschossen wurde, mit einer Handfeuerwaffe zielte. Dacosta kam zu Tode, nachdem die eigentliche Demonstration bereits beendet war und kurz nachdem die Geheimdienstagenten in der Umgebung der Generalstaatsanwaltschaft auftauchten. Das belegen auch Videoaufnahmen, die die Zeitung Últimas Noticias zusammengestellt hat.
Präsident Nicolás Maduro musste am Sonntag einräumen, dass bei den Demonstrationen am Mittwoch „eine Gruppe von Mitgliedern des Sebin gewesen war, die den direkten Befehl des Geheimdienstchefs nicht befolgten, an diesem Tag in dem Kasernen zu bleiben und nicht auf die Straße zu gehen“ – er feuerte den Sebin-Chef. Am Montag meldete Últimas Noticias die Verhaftung Collazos’.
Leopoldo López hat sich mit seiner Selbstauslieferung endgültig an die Spitze der Opposition gestellt. Noch immer nicht vergessen ist, dass Henrique Capriles kurz nach der Präsidentschaftswahl im April 2013 einen großen Protestmarsch wegen Wahlfälschung angekündigt, diesen aber rasch wieder abgesagt hatte. López hatte nicht nur dazu aufgerufen, auf die Straße zu gehen, sondern war auch tatsächlich selbst erschienen.
Für den Fall seiner Verhaftung hatte López ein Video ins Netz gestellt. Darin greift er heftig die Regierung an und fordert dazu auf, dass die Verpflichtung zu einem Wandel „nicht passiv sein darf.“