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Archiv-Artikel

Im Dialog gegen das Patriarchat

GENDER Seit einem Jahr arbeitet die Gleichstellungsbehörde mit dem „Beirat junge Frauen“ zusammen. Der will sich künftig nicht nur an Frauen, sondern auch an Männer und Trans*Personen richten

„Wenn man das Patriarchat abschaffen will, müssen die Generationen zusammenarbeiten!“

Kerstin Vennemeyer, Asta Bremen

„Es ist frech, dass es in Bremen noch Räume gibt, in denen Frauen nicht akzeptiert werden. Das können wir nicht hinnehmen!“, sagt die 22-jährige Studentin Melora Felsch, die sich im Beirat junger Frauen engagiert. Die Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF) und der Beirat zogen am vergangenen Mittwoch unter der Leitung der Landesbeauftragten für Frauen, Ulrike Hauffe, Bilanz des ersten Jahres ihrer Kooperation. Im kommenden Jahr wird die Zusammenarbeit fortgeführt.

Ulrike Hauffe ist seit bald 20 Jahren im Amt und bezeichnet sich selbst als „Dinosaurierin“ der Bremer Frauenbewegung. Anfang 2013 rief sie den Beirat junger Frauen ins Leben, um eine jüngere Generation für die Themen Feminismus und Geschlechtergerechtigkeit zu sensibilisieren. Mit der öffentlichen Ausschreibung des Beirats zur Supervision der ZGF-Arbeit ging Hauffe letztes Jahr einen nach eigener Aussage bislang einmaligen Weg in Deutschland. Zehn Beirätinnen wurden dafür im Hinblick auf möglichst große Diversität ausgewählt: Durch berufstätige Mütter, Studentinnen, Arbeitssuchende, Migrantinnen und einer Schülerin sind im Beirat vielseitige Lebensrealitäten vertreten.

Die jungen Frauen begleiteten die Arbeit der ZGF, veranstalteten die Vortragsreihe „Geschlechterdings*“ und verschiedene Flashmobaktionen wie einen Fotowettbewerb, bei dem klischeehaft rosafarbene Papierschnurrbärte verteilt wurden. Zum Schaffermahl bildeten die jungen Frauen im noblen Frack gemeinsam mit der ZGF ein Spalier, das alle geladenen Männer passieren mussten. Hier stimmt Hauffe ihrer Beirätin Felsch zu: „Die Männer haben verstanden, was wir wollen. Das war denen richtig peinlich!“

Trotz jahrzehntelangen feministischen Engagements habe sich jedoch nicht viel verändert: „Es ist erschreckend, dass die Themen noch immer dieselben sind wie vor dreißig, vierzig Jahren. Das Problem ist die strukturelle Diskriminierung“, ärgert sich Hauffe. Frauen werden im Schnitt 22% schlechter bezahlt als Männer, in Bremen sogar 26% schlechter. Dazu kommen die bekannten Fragen nach Teilzeit, Elternzeit und Altersarmut. „Es geht nicht darum, klassisch weibliche Lebensläufe kleinzureden“, meint Felsch und wünscht sich, „dass auch Männer es in Zukunft leichter haben, in Elternzeit zu gehen“.

Beirat und ZGF räumten ein, dass sie sich nicht immer einig waren. Die Beirätinnen plädierten dafür, dass die ZGF sich nicht auf das „Geschlecht Frau“ beschränken solle. Vielmehr müssten die Verhältnisse in Kontext gesetzt und differenzierter ausgeleuchtet werden. Auch Kerstin Vennemeyer vom „Autonomen Feministischen Referat“ des Asta Bremen kritisiert die ZGF in diesem Punkt: „Wir begrüßen es, dass junge Frauen in politische Entscheidungsprozesse eingebunden werden und somit sichtbar gemacht werden.“ Dies bedeute auch, Männer, Trans*Personen sowie Menschen mit Migrationshintergrund stärker einzubeziehen, anstatt an dem binären Rollenmodell von „Mann“ und „Frau“ festzuhalten.

Hauffe dagegen ist überzeugt, dass die Generationen hierbei erste Fäden zueinander gesponnen haben. Obwohl Vennemeyer selbst sich nicht vorstellen kann, sich im Beirat junger Frauen zu engagieren, ist ihr der Dialog zwischen den Generationen wichtig: „Ich glaube, dass beide Seiten voneinander profitieren und lernen können. Wenn man das Patriarchat abschaffen will, müssen die Generationen jedenfalls zusammenarbeiten!“

Im Büro der ZGF liegt die umfassende Broschüre „Junge Frauen“ aus, die den bisherigen Verlauf des Projekts dokumentiert. Die Schwerpunktthemen für das kommende Jahr sind Schönheitsideale, Selbstbestimmung, Berufsorientierung und Alltagssexismus.  KORNELIUS FRIZ