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Archiv-Artikel

Der Tee ist immer fertig

TRADITION Tee aus dem Samowar ist mehr als ein Getränk. Er steht für eine Kultur, für Heimat und für Gastfreundschaft. Das Konzept kommt wahrscheinlich aus Persien, aber der Name ist russisch und bedeutet „Selbstkocher“. Früher wurde er mit Holzkohle betrieben

Dass das Teekonzentrat nicht ungenießbar wird, während es stundenlang vor sich hin zieht, hat mit der Sorte zu tun. Geeignet sind kräftige Teesorten, die wenig Gerbsäure haben

VON DARIJANA HAHN

Wer kennt ihn nicht, den Schwarztee, den man beim „Türken“ nach dem Essen im geschwungenen Teeglas gereicht bekommt? Typisch ist dabei nicht nur das Glas. Typisch ist auch die Zubereitung im Samowar.

„In der oberen Kanne wird das Teekonzentrat angesetzt“, erklärt Ayse Ertugrul von der Back-Company auf St. Pauli und gießt von diesem Konzentrat etwas in ein Glas, um dann aus der unteren Kanne heißes Wasser dazuzugeben. „Jeder kann sich so seinen Tee mischen, wie er will“, beschreibt Ertugrul den Vorteil dieser zweiteiligen Teezubereitung. „Man kann ihn schwach oder stark trinken, hell oder dunkel, wofür die Türken auch Hasenblut sagen“, sagt die Verkäuferin, die selbst gar nicht so viel Tee trinkt.

Dass das Teekonzentrat nicht ungenießbar wird, während es stundenlang vor sich hin zieht, hat mit der Sorte zu tun. „In einem Samowar können Sie keinen Darjeeling zubereiten“, sagt Beiram Türker vom Teepavillon in der Hoheluftchaussee in Hamburg. „Darjeeling würde im Samowar sehr bitter werden.“ Für den Samowar geeignet sind, wie er sagt, kräftige Teesorten, die wenig Gerbsäure haben, wie Assam, Ceylon oder der türkische Rize-Tee.

Auch wenn es wahrscheinlich ist, dass der Samowar aus Persien nach Russland kam, beansprucht Russland dennoch, das symbolhafte Gerät im 18. Jahrhundert erfunden zu haben. Zumindest der Name ist russisch und bedeutet „Selbstkocher“.

So besteht der zweiteilige Samowar zum einen aus der Teekanne, in der das Konzentrat angesetzt wird, und zum anderen aus dem metallenen, meist kupfernen Wasserkessel in zylindrischer oder kugeliger Form. An dessen unterem seitlichen Rand befindet sich ein Ablasshahn, aus dem man das heiße Wasser für das Konzentrat lassen kann. In der Regel passen in diesen Wasserkessel zwischen drei und fünf Liter Wasser, das durch eine Heizröhre erhitzt wird. Die Hitze wurde ursprünglich durch Holzkohle erzeugt, was mittlerweile schon lange elektrisch geschieht.

Ein Hauptproduktionsort für russische Samoware ist Tula in der Nähe von Moskau. Dort wurde bereits 1778 die erste Fabrik gegründet. Schon im 19. Jahrhundert hatte Tula so viele Samoware hergestellt, dass sich das bis heute gebräuchliche Sprichwort entwickelt hat, dass man „mit einem eigenen Samowar nach Tula fährt“, wenn man etwas Überflüssiges tut.

Die Russen haben eine so innige Bindung zum Samowar, dass viele russische Vereine oder Institutionen in Deutschland schlicht Samowar heißen. Der Samowar scheint wie ein guter Freund, wie eine Art Kamin im Wohnzimmer, der für Gemütlichkeit sorgt. Und vor allem sorgt er dafür, dass der Tee nie ausgeht – so lange man nur oft genug danach sieht, dass im Wasserkessel auch ausreichend Wasser ist.

Die Türken sowie die Perser und Araber pflegen eine ähnlich innige Beziehung zu ihrem Samowar, dessen Namen sie von den Russen übernommen haben. Auch trinken die Türken wie die Russen den Tee schwarz, stark gesüßt, aber niemals mit Milch. Wenn auch die Liebe zum Schwarztee aus dem Samowar ungebrochen und allgegenwärtig scheint, bemerkt Türker aus dem Teepavillon indes auch eine Offenheit der jüngeren Generation hin zu anderen Teesorten und damit auch einer anderen Teekultur. „Nur die ältere Generation trinkt ausschließlich Schwarztee“, sagt Türker, nippt an einem Glas grünem Tee und fährt fort: „Die neuere weiß aber, was gesund ist und schätzt auch den Wandel.“

Im Wandel sind auch die Samoware an sich. Während die russischen Samoware nach wie vor kunstfertige Gebilde sind, pflegen die Türken einen pragmatischeren Umgang mit ihrem Teelieferanten. Oftmals besteht der Samowar aus zwei schlichten Teekannen, die auf türkisch Caydanlik genannt werden, bei dem die untere Kanne wie ein Wasserkessel auf der Herdplatte steht.

Egal in welcher Ausführung – der Samowar ist mehr als ein Teelieferant. Er ist ein kulturelles Symbol und gleichzeitig ein Symbol für Heimat, Gemütlichkeit und Gastfreundschaft – eine, die man nicht nur privat erleben kann, sondern bei jedem Tee, den man ungefragt im türkischen Restaurant serviert bekommt.