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Archiv-Artikel

Schmeckt auch destilliert

DAS VERGESSENE REZEPT Kein Ingwer, sondern Topinambur. Man kann ihn braten. Oder brennen

Zweimal Topinambur

Topinambur-Schnaps

■ 500 Gramm Topinambur

■ 50 Gramm Zucker

■ 25 Gramm Backhefe (besser: die Hefe „Topiferm“)

Topinambur sorgfältig waschen und zerkleinern. Ein Viertelliter lauwarmes Wasser, Zucker und Hefe zugeben und in ein Gefäß füllen, das genügend Raum für die Gärung lässt. Die Maische vier bis fünf Tage gären lassen und dabei öfter durchrühren. Anschließend die Maische brennen, dabei Vorlauf, Mittellauf und Nachlauf sauber trennen. Vorsicht: Nur der Mittellauf ist trinkbar. Vor- und Nachlauf riechen nach Uhu. Anfängern sei das oben genannte Buch als Lektüre empfohlen.

Alternativrezept ohne Alkohol (für vier Menschen)

■ 1 Kilogramm Topinambur

■ 2 Zwiebeln

■ 1 Stange Lauch

■ 200 Gramm Blutwurst

Topinambur schälen. Zwiebeln und Lauch klein schneiden und in Olivenöl anbraten. Topinambur mit dem Hobel fein reiben und dazugeben, circa 15 Minuten braten. Mit Salz und Pfeffer würzen, mehrfach wenden. In einer separaten Pfanne die Blutwurst rösten und zum Gemüse geben.

VON PHILIPP MAUSSHARDT

Gäbe es einen Preis für den schönsten Namen eines Gemüses, Topinambur würde ihn gewinnen. Topinambur – der wunderschöne Name stammt übrigens von brasilianischen Kannibalen. Der Stamm der Topinambà aß besonders gerne Portugiesen, die als Eroberer ihr Land besetzten und darum nicht beliebt waren. Fing man einen, aß man ihn.

Wenn ich heute bei meinem Gemüsehändler Topinambur kaufen will, geht er immer erst ins Lager, um nachzuschauen, „ob etwas da ist“. Oft ist nichts da. Aber wenn doch, reicht er mir die Knollen mit dem Gesichtsausdruck eines Wissenden. Mit demselben Ausdruck schiebt er manchmal Kerbelknollen über den Tresen, die kennt auch niemand.

Ein paar Bauern in der Gegend von Karlsruhe bauen Topinambur noch an. Die Knolle sieht ein bisschen aus wie eine Kartoffel, schmeckt aber völlig anders. Nussiger, mehr nach Kastanien. Es gibt wunderbare Rezepte mit ihr. Aber das Beste daran ist, dass man Topinambur nicht nur essen kann, man kann das Gemüse auch trinken. Weil die Knollen relativ viel Zucker enthalten, eignen sie sich zum Schnapsbrennen.

Zur Zeit meines Großvaters wusste jeder in meiner Gegend, wie man Schnaps brennt. Wer sich ein wenig auskennt in Ungarn, Rumänien oder Serbien, der versteht, wovon ich spreche. Viele Familien besitzen dort auch heute noch ein Gartenhäuschen, und in diesem Gartenhäuschen sitzt man im Winter, und aus einem Kupferkessel steigt ein ungeheuerlicher Duft nach Pflaumen, Reineclauden oder Mirabellen in den Himmel. Schnaps brennen ist so ziemlich das Einfachste, was es gibt auf der Welt. Man muss nur ein bisschen aufpassen. Vor allem auf das Finanzamt.

Schnaps brennen ist ziemlich einfach. Man muss nur ein bisschen aufpassen. Vor allem auf das Finanzamt

Denn Schnaps brennen ohne Lizenz ist in Deutschland eine Steuerstraftat, die streng bestraft wird. Man braucht also neben der Destille auch ein Gartenhäuschen, möglichst abgelegen und am besten jenseits der Grenze. Mein „Gartenhaus“ liegt in Italien, und die Destille habe ich vor einigen Jahren in Rumänien gekauft. Um genau zu sein, bei der Familie des Romkönigs Bulibasha in Sibiu. Wir hatten ungefähr vier Stunden lang den Preis verhandelt, dabei zwei Flaschen Palinca getrunken und uns schließlich geeinigt. Die Kupfer-Destille von Bulibasha leistet seither hervorragende Dienste.

Der „Schwarzbrenner“ wird ungefähr so angesehen wie der „Wilderer“. Man weiß, er tut etwas Verbotenes, aber die Mehrheit der Bevölkerung ist einverstanden damit. Einmal im Jahr setze ich den handgeschmiedeten Kupferkessel auf einen Gaskocher, fülle ihn mit vergorener Maische und warte geduldig, bis der erste klare Tropfen aus der Kühlspirale in ein Glas fällt. Es ist ein magischer Moment. Das „Gartenhaus“ fängt an zu duften – nach Holunder, nach Wacholder oder eben nach Topinambur, je nachdem, was man in den Kessel gefüllt hat.

Neben mir liegt das Taschenbuch von Josef Pischl, einem österreichischen Autor, mit dem Titel „Schnaps brennen“. Pischl hat es so geschrieben, dass jeder Idiot verstehen kann, wie man vorgeht. Schnaps brennen ist eine kulturelle Errungenschaft. In Deutschland darf man ohne Lizenz legal nur in sehr kleinen Mengen brennen. Aber Destillationsapparate mit einem Brennvolumen von 0,5 Liter gibt es schon ab 150 Euro ganz straffrei im Internet.

Die Essecke: Philipp Maußhardt schreibt hier jeden Monat über vergessene Rezepte. Sarah Wiener komponiert aus einer Zutat drei Gerichte, Jörn Kabisch spricht mit Praktikern der Küche und Undine Zimmer kocht mit dem, was im Kühlschrank übrig blieb