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Archiv-Artikel

Frische Stammzellen für NRW

Forschungsminister Pinkwart fordert eine Liberalisierung des Stammzellenrechts in Deutschland. Ethiker warnen vor unbegrenzter Forschungsfreiheit. Auch die CDU-Landtagsfraktion will keine Aufhebung der Stichtagsregelung

VON MORITZ SCHRÖDER

NRW-Forschungsminister Andreas Pinkwart (FDP) wirft sich für seine Stammzellenforscher in die Bresche. „Es sind gesetzliche Neuregelungen erforderlich“, sagte er Anfang der Woche. Am liebsten möchte er die so genannte Stichtagsregelung abschaffen, die besagt, wie alt die menschlichen embryonalen Stammzelllinien sein dürfen, mit denen in Deutschland geforscht wird. Momentan müssen sie laut Stammzellgesetz im Ausland hergestellt worden sein – und zwar vor dem 1. Januar 2002.

Beim Koalitionspartner stößt Pinkwart mit seiner Initiative allerdings nicht auf Gegenliebe: „Ich würde an einer Stichtagsregelung festhalten“, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag, Rudolf Henke. Trotzdem will die NRW-CDU demnächst im Landtag über das Thema reden.

Anlass für Pinkwarts Vorstoß: Ende Juli stimmte Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) im Ministerrat der Europäischen Union dem neuen Forschungsrahmenprogramm der EU zu. Dabei geht es auch um die Forschung mit menschlichen embryonalen Stammzellen.

Pinkwart sieht darin einen Widerspruch, denn im EU-Recht gibt es keine Stichtagsregelung, wie etwa in Italien, Irland oder in Deutschland. Das deutsche Stammzellgesetz wiederum stellt Gesetzesbruch unter harte Strafen. „Das ist eine Unlogik in der Forschungspolitik des Landes“, so der Forschungsminister. Tatsächlich züchten die meisten EU-Länder ebenso wie wichtige Lieferanten von Stammzelllinien, etwa USA oder Israel, ständig neue Zelllinien. Deutsche Wissenschaftler dürfen diese aber nicht nutzen und können an vielen internationalen Forschungen nicht teilnehmen, weil diese jüngere Stammzellen verwenden. CDU-Politiker Henke verteidigt die Stichtagsregelung mit dem ethischen Anspruch des Stammzellgesetzes: „Man muss der Tötung von Embryonen entgegenwirken.“ Da unterschieden sich das Werteverständnis von FDP und CDU.

Eine Alternative zur vollständigen Beseitigung des festen Datums im Gesetz ist der auch von Ethikern befürwortete nachlaufende Stichtag. Dabei wäre nur die Zeitspanne vorgeschrieben, wie lange die Lagerung der Zellen und die Forschung auseinander liegen müssen. Es könnte dann also auch mit Zellen geforscht werden, die nach 2002 hergestellt wurden. „Das würde sowohl die Bedürfnisse der Forschung als auch ethische Standards sicherstellen“, sagt der Theologe Hartmut Kreß, Abteilungsleiter für Bioethik an der Universität Bonn. So könne verhindert werden, „dass menschliche Embryonen für deutsche Forschungsinteressen geopfert werden“.

Der Münsteraner Ethiker Ludwig Siep, Mitglied in der Zentralen Ethik-Kommission für die Stammzellenforschung, weist allerdings darauf hin, dass auch die nachlaufende Regelung keinen effektiven Schutz vor der Verwendung neuer embryonaler Stammzellen darstellt. Das Problem: „Es gibt im Augenblick einen starken Wildwuchs von Embryozellen-Herstellung im Ausland“, so Siep. Große Stammzellen-Lager gibt es laut Ministerium etwa in Großbritannien, Frankreich oder Singapur. Daher könne Deutschland nur indirekt Anreize geben, keine Stammzellen jüngeren Datums herzustellen, sagt Siep.

Pinkwarts Einsatz erklärt sich durch die Forschungsinteressen von Wissenschaftlern aus NRW. Das „Kompetenzzentrum Stammzellenforschung“, das 2002 eröffnet wurde, ist bundesweit einzigartig. Fachleute aus Medizin, Ethik und Recht arbeiten dort zusammenarbeiten – womit sich das Forschungsministerium rühmt.