: Koalition der Willigen
AUS BERLIN JENS KÖNIG UND LUKAS WALLRAFF
Es ist die bislang schwierigste außenpolitische Entscheidung, die Angela Merkel als Kanzlerin zu verantworten hat: Soll sie deutsche Soldaten in den Nahen Osten schicken, die als Teil einer UN-Friedenstruppe den Waffenstillstand im Libanon überwachen? Der Kabinettsbeschluss darüber rückt näher, und so hat Merkel ihren Urlaub um ein paar Tage verkürzt. Heute kehrt sie an ihren Schreibtisch im Berliner Kanzleramt zurück. Gestern, an ihrem letzten Urlaubstag, traf sie sich in einem Hotel in Bayreuth, wo sie die Wagner-Festspiele besuchte, mit den Spitzen der großen Koalition: Vizekanzler Franz Müntefering, SPD-Chef Kurt Beck, CSU-Chef Edmund Stoiber.
Das Treffen soll angeblich bereits vor vielen Wochen vereinbart worden sein. Die Viererrunde wollte ursprünglich den Fahrplan für die Koalitionsvorhaben der nächsten Wochen und Monate festlegen. Jetzt rückte natürlich der Nahostkonflikt in den Mittelpunkt.
Die Runde verständigte sich auf das, was in fast allen Medien bereits als ausgemachte Sache verkauft worden war: Deutschland leistet einen Beitrag für die UN-Friedenstruppe. In der offiziellen Erklärung heißt es dazu: „Bei der Umsetzung der Resolution 1701 will Deutschland einen Beitrag entsprechend seinen Fähigkeiten leisten, vorausgesetzt, die hierfür notwendigen Bedingungen werden bei den jetzt laufenden Verhandlungen in New York geschaffen. Im Vordergrund stehen dabei humanitäre Hilfsleistungen, Leistungen des Wiederaufbaus und Beiträge zur Sicherung der syrisch-libanesischen Grenze, insbesondere seeseitig.“ Details werden in dem Beschluss nicht genannt.
Im Klartext heißt das: Wahrscheinlich wird der Einsatz von Marineeinheiten vor der Küste Libanons, möglicherweise auch der Bundespolizei, später dann, nach dem Rückzug der Kriegsparteien aus dem Südlibanon, der Einsatz von Pioniereinheiten zur Hilfe beim Wiederaufbau. In der Erklärung heißt es über den deutschen Beitrag zur Lösung des Nahostproblems: „Hierfür kommen eine Vielzahl kurz- und langfristiger Komponenten in Betracht.“ Eine Friedensordnung in der Region müsse „das Existenzrecht Israels garantieren, die Entwicklung eines souveränen Libanons sicherstellen und die Überwindung des israelisch-palästinensischen Konfliktes auf Basis der Zwei-Staaten-Lösung vorsehen“.
Damit steht auch fest, dass Deutschland keine kämpfenden Bodentruppen schickt. Ob das die von allen Parteien befürchtete Gefahr einer unmittelbaren Konfrontation von deutschen und israelischen Soldaten bannt, wird man abwarten müssen. Auf jeden Fall hat sich die große Koalition mit diesem Grundsatzbeschluss die Unterstützung der CSU gesichert. Insbesondere Stoiber hatte in den vergangenen Tagen laut Nein gerufen. Diese Ablehnung bezog sich zwar „nur“ auf einen Einsatz deutscher Kampftruppen im libanesisch-israelischen Grenzgebiet – dem CSU-Chef kam es dennoch nicht ungelegen, dass dieses Nein von manchen als generelle Ablehnung eines deutschen Militäreinsatzes im Nahen Osten verstanden wurde. Stoiber gab mal wieder den Populisten, der die angeblichen Vorbehalte in der Bevölkerung gegen eine Stationierung von Bundeswehrsoldaten in der unmittelbaren Nähe Israels ernst nimmt.
Am Donnerstag wird Merkel in Berlin mit einigen ihrer Minister beraten, wie viel und welche Truppen genau die Bundesregierung den Vereinten Nationen für die Friedenstruppe anbietet. Am Abend will sie die Obleute der Bundestagsfraktionen aus den Ausschüssen für Verteidigung, Inneres und Äußeres informieren. Anschließend wird UN-Botschafter Thomas Matussek das deutsche Angebot auf der Truppenstellerkonferenz in New York vortragen. Am Freitag dann werden die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen unterrichtet.