: Kopflose Herren
KOLONIALES BERLIN In den zur Nationalgalerie gehörenden Häusern ist eine Ausstellung mit Arbeiten von fünf afrikanischen Künstlern zu sehen
Bunte Fahnen flattern im Wind vor der Neuen Nationalgalerie. Sie scheinen das Museum in eine Kongresshalle zu verwandeln. Kaum ein Passant oder Besucher beachtet sie besonders. Pascale Marthine Tayou hat die Flaggen aller afrikanischen Staaten „afrikanisiert“ und von europäischen Farben und Symbolen „befreit“. Daneben stehen, fast wie Karikaturen, Abbildungen von Kolonialherren auf der Terrasse. Pascale Marthine Tayous Arbeit gehört zur Ausstellung „Who Knows Tomorrow“, mit der die Nationalgalerie endlich auch die afrikanische Kunst entdeckt.
Udo Kittelmann und sein Kuratorenteam, allen voran Britta Schmitz, haben fünf Künstler aus Afrika eingeladen. Diese fertigten Kunstwerke eigens für die vier Häuser der Nationalgalerie an. Die meisten von ihnen sind im Außenraum vor den Museen angebracht. Berlin soll als Ort des Kolonialismus thematisiert werden: 1884/85 hatten die europäischen Mächte in der Berliner Konferenz den Kontinent unter sich aufgeteilt. Den Künstlern wird somit die Aufgabe gestellt, nicht nur die Geschichte ihres Kontinents, sondern auch gleich Berliner Stadtgeschichte zu verarbeiten.
Udo Kittelmann nutzt die Ausstellung dazu, sein Konzept der engeren Verknüpfung der vier Häuser zu verfolgen. Er verpasst so aber die Gelegenheit, weiter in den Stadtraum hineinzugehen: Es gibt interessantere Orte in Berlin mit historischem Bezug zum Kolonialismus. So wirkt die Installation, mit der Yinka Shonibare in der Friedrichwerderschen Kirche auf die Berliner Konferenz mit einer Tischgesellschaft von kopflosen Herren in bunten Kostümen anspielt, deplatziert. Was haben sie auf der Empore der Kirche zu suchen? Verweise der Kuratoren aufs nahe Außenministerium oder zu den Größen der Aufklärung, die hier mit marmornen Büsten ausgestellt sind, wirken bemüht.
Billiger Fusel für Afrika
Einen Flickenteppich von leeren Alkoholflaschendeckeln hat El Anatsui vor die Alte Nationalgalerie gehängt. Er spielt damit auf die Ausbeutung der afrikanischen Völker an, die im Tausch für wertvolle Rohstoffe billigen Fusel aus dem Deutschen Reich bekamen. Im Katalog heißt es, die Ausbeutung der Ressourcen Afrikas ermögliche bis heute die Finanzierung der deutschen Kulturlandschaft. Zugleich soll El Anatsuis Installation eine Auseinandersetzung mit der Sammlungsgeschichte des Hauses sein. Diese war, wie der Giebel verrät, einst als rein deutsche Angelegenheit geplant.
Die Bezüge dieser Ausstellung sind oft komplex und nicht leicht nachvollziehbar. Die Ausstellung zeigt somit vor allem eines: Man tut sich schwer mit der afrikanischen Kunst. Die Kuratoren stellen sich in einem Begleitprogramm den Fragen, die die Ausstellung aufwirft: Wie kann und soll man in einer westlich ausgerichteten Institution mit afrikanischer Kunst umgehen? Was ist überhaupt afrikanische Kunst? Der Umgang mit Kunst aus Afrika scheint vor allem gekennzeichnet von der Angst, etwas falsch zu machen. Dadurch wird sie aber erst recht an den Rand gedrängt und nicht in den normalen Ausstellungsbetrieb aufgenommen. Diese Ausstellung kann nur ein erster Schritt sein, dem neuen afrikanischen Selbstbewusstsein auch in der Berliner Museumslandschaft Rechnung zu tragen. SPUNK SEIPEL
■ Bis 26. September, Alte Nationalgalerie, Friedrichswerdersche Kirche, Hamburger Bahnhof, Neue Nationalgalerie