: So roh, wie die Verhältnisse sind
RUMÄNIEN Radu Judes Film „The Happiest Girl in the World“ erzählt von einem Mädchen, das beim Gewinnspiel einer Orangensaftfirma ein Auto gewinnt
Radu Judes Film „The Happiest Girl in the World“, der 2009 im Forumsprogramm der Berlinale uraufgeführt wurde, fügt sich ein in die tollen rumänischen Filme der letzten Jahre, die vor allem auf Festivals recht erfolgreich waren. Etwa Cristi Puius „Der Tod des Herrn Lazarescu“ (2006), Corneliu Porumbuius großartige Revolutionskomödie „12.08 East of Bucharest“ und natürlich Cristian Mungius „4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage“, der 2007 die Goldene Palme in Cannes gewann.
„The Happiest Girl in the World“ erzählt von der 18-jährigen Delia (leicht aschenputtelmäßig super gespielt von Andreea Bosneag), die beim Gewinnspiel einer Orangensaftfirma ein Auto gewonnen hat. Sie kommt aus der rumänischen Provinz und fährt in der Eingangsszene mit ihren Eltern in die Hauptstadt, um dort ihren Gewinn in Empfang zu nehmen. Bevor sie das kann, muss sie allerdings noch einen kleinen Werbespot für die Fruchtsafthersteller drehen, in dem sie deren tolles Gewinnspiel und den wunderbaren Orangensaft preisen und loben soll. Die Fahrt nach Bukarest ist toll gefilmt; man spürt die Enge des kleinen Autos und wie’s drin riecht, und einem wird selbst ein bisschen schlecht, wenn man Delia auf der Rückbank beobachtet, wie ihr übel wird. Besonders gut gelaunt ist die Heldin nicht; sie hat ja nicht einmal einen Führerschein. Die Eltern erwarten von ihr, dass sie ihnen das gewonnene Auto schenkt.
Der Dreh des kleinen Werbespots zieht sich über den ganzen Tag hin. Immer wieder muss sie sagen, sie sei das glücklichste Mädchen der Welt, immer wieder einen viel zu großen Schluck aus der Orangensaftflasche nehmen, glücklich lächeln, während sie so tut, als führe sie weg, und den Zuschauern natürlich empfehlen, auch möglichst oft dieses hervorragende Getränk zu kaufen, gegen den Durst und um vielleicht auch ein schönes Auto zu gewinnen.
Immer wieder geht was schief; mal gibt es technische Probleme, mal wirkt sie nicht glücklich genug, mal ist der Schluck, den sie aus der Flasche nimmt, nicht groß genug. Damit das Orangensaftgetränk besser aussieht, mischt man ein bisschen Cola rein. Die ständigen Wiederholungen sind teils lustig – man denkt an die berühmten Wiederholungsszenen der Filmgeschichte, wie etwa von Loriot – letztendlich aber doch deprimierend.
Zwischendurch gibt es immer wieder Pausen, leicht angewidert hört dann das Mädchen den Licht- und Tontechnikern zu, die sich etwa über Techniken des Mösenleckens unterhalten. Sie wird ein ums andere Mal neu geschminkt, denkt allein für sich nach oder streitet mit ihren Eltern, die sie auf unterschiedliche Weise drängen, endlich einen Verkaufsvertrag für das gewonnene Auto zu unterschreiben. Die Kapitalismuskritik ist so roh, wie es die Verhältnisse in Rumänien wohl sind. Die Übergänge zwischen dokumentarisch wirkenden und Spielfilmpassagen sind fließend wie in vielen rumänischen Filmen.
Radu Jude, der unter anderem bei „Tod von Herrn Lazarescu“ assistierte, erklärte dazu, dass er von einer wahren Geschichte angeregt worden sei, die ihm bei den Dreharbeiten zu einem seiner bislang über 100 Werbefilme begegnet war. DETLEF KUHLBRODT