: Staatsanwälte in Aktion
FALL EDATHY Der Exparlamentarier sagt, er sei telefonisch mit dem Tode bedroht worden – und will nicht nach Deutschland zurück. Das Bundeskriminalamt soll in einem internen Vermerk dazu geraten haben, ein Ermittlungsverfahren gegen Edathy einzuleiten
BERLIN dpa/taz | Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy hat nach eigenen Angaben etliche Morddrohungen erhalten. Das sagte der Sozialdemokrat dem Spiegel. Die Drohungen seien telefonisch erfolgt. Er könne weder nach Niedersachsen noch nach Berlin zurückkehren, erklärte Edathy. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Besitz von kinderpornografischem Material.
Vertraulicher Brief
Zugleich widersprach Edathy Vermutungen, dass er über den Inhalt eines vertraulichen Briefs der Staatsanwaltschaft an den Bundestag vorab informiert gewesen sein könnte, in dem es um das Ende seiner Immunität ging. Noch am Tag, an dem der Brief abgeschickt wurde, hatte er vor einem Berliner Notar seinen Verzicht auf das Bundestagsmandat erklärt. Sein Notartermin sei schon anberaumt gewesen, bevor die Staatsanwaltschaft den Brief verschickt habe. Die zeitliche Nähe sei „reiner Zufall“.
Edathy hat eingeräumt, Bilder nackter Jungen bei einer kanadischen Firma bestellt zu haben. Laut Staatsanwaltschaft Hannover handelt es sich um Sequenzen von unbekleideten männlichen Jugendlichen, sie ordnet sie im „Grenzbereich zur Kinderpornografie“ ein. Edathy bestreitet aber, illegale Bilder besessen zu haben. Edathy hatte sein Bundestagsmandat aus gesundheitlichen Gründen niedergelegt, kurz bevor Ermittler mehrere Wohnungen und Büroräume von ihm durchsuchten.
Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung wirft ein neues Licht auf die Ermittlungen der Hannoveraner Staatsanwaltschaft. Keineswegs habe diese den Abgeordneten Edathy unschuldig verfolgt, sondern vielmehr „zu lange gezaudert“.
Die FAS trat dabei Behauptungen des Anwalts Christian Noll entgegen, der vor einer Woche im Namen von Edathy eine Dienstaufsichtbeschwerde gegen die Staatsanwälte erhob. Zentrales Argument von Noll war die Einstufung des von Edathy bestellten Materials durch das Bundeskriminalamt als „strafrechtlich irrelevant“.
Dem hält die FAS nun aber entgegen, dass das BKA gleichwohl zu Ermittlungen geraten habe. „Es wird angeregt, ein Ermittlungsverfahren auf Grundlage des dargestellten Sachverhalts einzuleiten“, soll es in dem bisher öffentlich nicht bekannten Vermerk des BKA heißen. Aufgrund „kriminalistischer Erfahrung“ bestehe ein Anfangsverdacht, dass ein Kunde der nur Bilder nackter spielender Kinder bestellt, auch strafbares kinderpornographisches Material besitzt.
Auch die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft, die die Materialien anschließend prüfte, habe einen Anfangsverdacht angenommen. Selbst wenn das von Edathy bestellte Material nicht strafbar sein sollte, sei „davon auszugehen, dass die Darstellung allein auf die sexuelle Erregung des Betrachters abzielt“. Die Hannoveraner Ermittler hätten also schon Anfang November Ermittlungen gegen Edathy einleiten können und nicht erst Ende Januar, als er längst gewarnt war, folgert die FAS.
Interessante Details am Rande: Die Benachrichtigung des Bundestags habe so lange gedauert, weil die Staatsanwaltschaft das Schreiben mit dem lokalen Anbieter Citipost versandte, das in Berlin erst ein Partnerunternehmen einschalten musste. Der Umschlag sei offen in Berlin angekommen, so die FAS, weil er uralt war und die Lasche nicht mehr klebte.
Unterdessen berichtete die Welt am Sonntag, dass die Berliner Staatsanwaltschaft gegen den ehemaligen Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ein Ermittlungsverfahren einleiten wolle. Grund sei ein Anfangsverdacht, dass Friedrich in der Edathy-Affäre ein Dienstgeheimnis verraten haben könnte, als er SPD-Chef Sigmar Gabriel im Oktober 2013 über den Fall informierte. Das Blatt nannte Regierungskreise als Quelle für diese Information, der Sprecher der Staatsanwaltschaft verweigerte allerdings eine Stellungnahme. Friedrich war vor knapp zwei Wochen vom Amt des Landwirtschaftsministers zurückgetreten.
CHRISTIAN RATH