: US-Gericht hält Tabakhersteller für Gangster
Richter befinden Zigarettenkonzerne der Verschwörung für schuldig. Aufdrucke wie „leicht“ werden nun verboten
BERLIN taz ■ Rauchen ist tatsächlich ungesund – auch wenn „light“, „mild“ oder „mit niedrigem Teergehalt“ auf den Zigarettenpackungen steht. Und wer etwas anderes behauptet, lügt. Mit diesem Urteil gab ein US-Bundesgericht einer Klage der Regierung gegen die führenden Zigarettenkonzerne Recht. Ab kommendem Januar sind nun verharmlosende Bezeichnungen für Zigaretten in den USA verboten – wie in Europa schon seit dem Jahr 2003.
Richterin Gladys Kessler hält die Zigarettenkonzerne der Verschwörung für schuldig. Sie hätten „mehr als 50 Jahre lang die amerikanische Öffentlichkeit belogen und getäuscht“, schreibt sie in ihrem Urteil über BAT, Brown & Williamson, Lorillard, RJ Reynolds und die Philip-Morris-Mutter Altria. Trotzdem ist die US-Regierung schwer enttäuscht. Denn die erhofften Milliardenstrafen für die Branche gab es nicht.
Kessler verwies dabei auf ein Urteil aus dem vorigen Jahr. Damals hatte ein Berufungsgericht geurteilt, die Regierung dürfe die Gewinne der Tabakkonzerne nicht beschlagnahmen, um Schaden abzuwenden. Dabei sei es egal, ob sie recht- oder unrechtmäßig erworben worden seien. Daher verdonnerte Kessler die Zigarettenhersteller lediglich dazu, auf ihren Websites und auf Beipackzetteln, in Zeitungsanzeigen und TV-Spots mit ihren Verharmlosungen aufzuräumen.
Während das erste große Tabak-Verfahren 1998 noch mit einer spektakulären Strafe von 246 Milliarden Dollar endete, sind die Gerichte seither zurückhaltender geworden. So hatte der Oberste Gerichtshof von Florida im Juli aufgrund einer von Rauchern erhobenen Sammelklage die geforderte 145-Milliarden-Dollar-Strafe für unrechtmäßig erklärt. Schließlich sei jeder Erkrankungsfall unterschiedlich. Im Dezember war Philip Morris einer hohen Strafe wegen der Verwendung der Bezeichnung „light“ entgangen – denn die sei ja erlaubt gewesen.
Man sei „enttäuscht, dass das Gericht nicht alle Maßnahmen ergriffen hat, die die Regierung vorschlug“, verlautete aus dem Justizministerium. Dieses hatte die Klage wegen Verschwörung und Betrug 1999 eingereicht und sich dabei auf ein Gesetz gegen das Gangstertum berufen. Die Zigarettenkonzerne hätten ihre Gewinne mit illegalen Methoden eingefahren und müssten sie daher wieder abgeben. Anfangs 280 Milliarden, zuletzt noch 10 Milliarden US-Dollar hatte das Ministerium gefordert. Mit dem Geld sollte eine Anti-Raucher-Kampagne finanziert werden.
Auch wenn die Unternehmen mit einem blauen Auge davonkamen, wollen sie Revision einlegen. Die Beschränkung bei der Vermarktung von Zigaretten als „leicht“ sei allein Sache des Kongresses, so ein Altria-Anwalt.
NICOLA LIEBERT
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