: „Fünf Tage Fortbildung im Jahr“
JUBILÄUM Die Akademie für Publizistik wird 40 Jahre alt. Direktorin Annette Hillebrand fordert verpflichtende Weiterbildung für Journalisten. Sie müssten sich mehr damit beschäftigen, wie jüngere die Medien nutzen
■ war von 1985 bis ’88 bei der taz. Danach spezialisierte sie sich auf Porträts und der Weiterbildung. Seit 2003 leitet sie die AkademieFoto: Jentzsch
INTERVIEW: KAIJA KUTTER
taz: Frau Hillebrand, die Akademie für Publizistik wird im September 40 Jahre alt. An wen richtet sich ihr Kursangebot?
Annette Hillebrand: An alle, die schreiben – naja, an fast alle. Erstmal an alle Reporterinnen und Redakteure, bei Zeitschriften, Tageszeitungen, Hörfunk und Fernsehen. Wir machen aber auch spezielle Angebote für Menschen, die bei Fachzeitschriften arbeiten. Von der Architektin bis zum Zugführer, jede Branche hat ja eigene Publikationen. Und seit online so ein großes Thema ist, kommen auch Menschen zu uns, die in ihrer Firma jetzt für das Intranet schreiben sollen und sich fragen: „Wie mach’ ich das?“.
Gibt es Kriterien, die ein Kursteilnehmer erfüllen muss?
Eigentlich nur eines: nämlich den Text sorgfältig lesen, in dem wir beschreiben, was in dem Seminar passiert. Wer Zweifel hat, ruft uns an. Das machen übrigens viel mehr Menschen als früher. Zum Glück.
Sind die Kurse offen für freie Mitarbeiter?
Ja. Unsere Kurse besuchen Freie wie Festangestellte. Ein Problem ist, dass es heute sehr viel mehr Freie gibt als früher, ein Ergebnis der Entlassungen in den Redaktionen. Gerade die haben einen hohen Weiterbildungsbedarf, um beruflich Fuß zu fassen. Aber unsere Seminargebühr von etwa 170 Euro pro Tag stellt für viele eine Hürde dar.
Ist das teuer?
Nein. In anderen Branchen sind die Sätze viel höher. Und wenn wir nicht Spenden und Mitgliedsbeiträge bekämen, wären auch unsere Kurse teurer. Aber im Journalismus ist es eh anders als zum Beispiel bei Ärzten oder Lehrern. Weiterbildung gilt nicht als selbstverständlich. Deshalb fordern wir, dass fünf Tage Weiterbildung im Jahr verpflichtend werden sollen.
Ein Zeitproblem, vermutlich.
Ohne Fortbildung ist die Qualität journalistischer Arbeit bedroht. Redakteurinnen und Reporter müssen heute Sachen können, von denen in ihrer Ausbildung nicht mal die Rede war. Denn es gab sie nicht. Crossmedial produzieren zum Beispiel. Wir bilden ja auch die Volontäre von Tageszeitungen, Hörfunk und Fernsehen aus. Sie alle lernen das bei uns. Und die Älteren müssen es nun nachholen.
Klingt mühsam. Müssen Journalisten denn twittern können?
Nein, das müssen sie nicht. Aber sie müssen all die neuen Medien und Kanäle kennen, auf den Informationen verbreitet werden. Journalisten müssen sich mehr als bisher damit beschäftigen, wie die Menschen, vor allem die jüngeren, Medien nutzen.
Nach welchen Kriterien wählen Sie ihre Dozenten aus?
In der Akademie für Publizistik unterrichten nur Leute aus der Praxis. Unsere vier Seminarleiter sprechen gezielt Kollegen an, die uns wegen ihrer guten Arbeit auffallen. Mit diesen Nachrichtenredakteuren oder Reporterinnen oder Moderatoren gestaltet die Seminarleiterin dann den Kurs, immer im Tandem. Damit es auch didaktisch wirklich gut wird.
Haben Sie Kurse für Anfänger?
Ja. Zum Beispiel eine Schreibwerkstatt. Da geht es, mit vielen Übungen, ums journalistische Schreiben: also darum, verständlich und anschaulich zu schreiben. Und um die Nachricht, den Bericht, das Porträt, also um alle journalistischen Genres.
Was ist der beste Weg in den Beruf?
Die Akademie wurde 1970 gegründet und hatte im ersten Jahr 26 Kursteilnehmer.
■ Heute bietet sie 15 Volontärskurse, 94 Fachseminare, 50 Inhouse-Seminare in Verlagen. Pro Jahr nehmen etwa 1.000 Journalisten teil, auch aus Österreich und der Schweiz, darunter 280 Volontäre.
■ Der Jahresumsatz beträgt rund 1,4 Millionen Euro.
■ Standort der Akademie ist die Warburgstraße 8-10, nahe der Alster. Dort verfügt sie auf 300 Quadratmetern über Seminarräume, Multimedia-Raum, Hörfunk- und TV-Studio mit Regieraum.
■ Mit dem Ethikrat bietet die Akademie seit 2003 ein Diskussionsforum über die Qualität journalistischer Arbeit, an das sich Journalisten wenden können.
Ein Volontariat – aber nur dort, wo eine gute Ausbildung und sorgfältige Begleitung durch erfahrene Kollegen geboten werden. Oder eine Journalistenschule. Hier wie dort wird ein abgeschlossenes Studium erwartet. Das ist auch gut, weil Spezialwissen, zum Beispiel in Biologie oder Jura, die Suche nach einem Job erleichtert.
Ist Journalismus noch Traumberuf vieler junger Leute?
Wir hören von Chefredaktionen großer Regionalzeitungen, dass sie weniger Bewerbungen haben. Es hat sich bei der Jugend herumgesprochen, dass die Perspektiven bei Tageszeitungen nicht so rosig sind.
Wie finanziert sich die Akademie?
Zu drei Vierteln durch besagte Kursgebühren, und zu einem Viertel aus den Beiträgen der Verlage, die bei uns Mitglied sind. Zudem durch Spenden und die Förderung von Projekten, wie die Anschaffung von neuen Kameras und Computern fürs crossmediale Arbeiten.
Und wie feiern Sie den 40.?
Für unsere Verhältnisse riesig! Bisher waren die Akademiefeiern eher hanseatisch. Wir zeigen einen nicht ganz ernstgemeinten Film über die Akademie und es gibt 40 Videobotschaften von Dozenten, Teilnehmern, ehemaligen Mitarbeitern. Außerdem sagen uns die Chefredakteurin der taz, der Intendant des NDR und andere prominente Kollegen ihre Meinung. Und den Festvortrag hält der Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung: über Journalismus, über die Zukunft unseres Berufs.