: Keine Angst vor Tim Etchells
TOLL, TOLL, TOLL UND TOLL Hätte das Stadtmarketing das geahnt! Ausgerechnet das kleine Künstlerhaus am Deich zeigt die bedeutendste Ausstellung des Jahres
Tim Etchells? Kann denn das sein? DER Tim Etchells? Wie denn das? Und wo? Die Kunsthalle wird doch noch …? Ausgerechnet im verhutzteltlütten Künstlerhaus am Deich? Das ist doch …! Und in Kooperation mit der Schwankhalle? Kein Scherz? Er selbst, höchstpersönlich mit Fog Game als eigener Solo-Ausstellung, lauter neue Werke und mit seinem one and only Forced Entertainment Ensemble? Holla. Also das ist …
Aber es gibt auch Menschen, denen der Name nichts sagt. Auch wenn er eine große Nummer ist, selbst in so schnöden Rankings wie artfacts.net. Das listet den Briten auf Platz 5.652, klar, hört sich erst mal nicht so dolle an, aber Achtung, jetzt, Vergleich: James Rizzi, um den ein paar Banausen in Bremen groß Trara gemacht haben, hat sich mittlerweile auf Platz 19.045 vorgearbeitet. Also ist der Mann, der sich im kleinen Künstlerhaus am Deich die Ehre gibt, kurz nachrechnen – nein! Fast viermal so berühmt wie – ja hätte das Stadtmarketing das geahnt – … !
Es ist aber auch schwer einzusehen. Denn das Künstlerhaus am Deich ist selbst für Bremen klein. Und Etchells ist sonst in den großen Häusern der Weltkunst anzutreffen, im Museu d’Art Contemporani in Barcelona, im Media Art Institute Amsterdam, oder auf den bedeutenden Festivals: Steirischer Herbst, beim Kulturhauptstadtprogramm in Essen. Und eben nicht in Bremen. Wie schade.
Und jetzt aber doch!, Hurrah! Toll, toll, toll, dass Forced Entertainment am 21. und 22. September in der Schwankhalle Performances zeigen, aber darüber bei Gelegenheit mehr. Jetzt erst mal über die bildende Kunst jubeln! Und: Toll, toll, toll und toll, was er da im Künstlerhaus inszeniert hat: Kommste rein, was siehste? Farbigen Buchstabensalat, orange, rosa, blau, grün, weiß, in Neonlämpchen: e, w, l, e, b, u, i, f, o … – fragst dich: Hä?, drehst dich um, Richtung Ausgang und: Gleiche Lämpchen, dieselben Farben, identische Buchstaben, aber fein sortiert: „the/ future/ will be / confusing“ – Aha! Lächelst versonnen und bist schon längst mitten im Nachdenken, ein wohliger Strudel. Will be heißt diese Installation, ist kinderleicht zu verstehen, ein Witz. Aber eben – zugleich unergründlich intellektuell: Ordnung, Unordnung, Gegenwart, Zukunft, das sind die Pole, die verbal angetippt und in eine optische Spannung übertragen werden, Fragen aufwerfen, Denkmuster aktivieren, Erkenntnisprozesse losrattern lassen, die Hirnmaschine, das Kopftheater. So geht das mit allen Etchell-Arbeiten, beschreiben hilft da wenig, musst schon hingeh’n, es sind nur vier, aber das täuscht, brauchen alle ihre Zeit: Das ist, mit Abstand, Bremens größte Ausstellung dieses Jahr. BES
Fog Game, bis 21. November, Künstlerhaus Bremen, Am Deich 68/69