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Archiv-Artikel

Das Montagsinterview„Indien war mir zu unseriös“

Vom Kommunismus zum Islam: Der Schriftsteller Peter Schütt war immer auf der Suche. Nun, sagt er, sei er angekommenMOSKAU ODER MEKKA Der Hamburger Schriftsteller Peter Schütt, einst Vorstandsmitglied der DKP, ist seit vielen Jahren überzeugter Muslim. Seine Autobiografie trägt den Titel „Von Bosbeck am Moor über Moskau nach Mekka“. Ein Gespräch über die Weltrevolution und die Sehnsucht nach Gemeinschaft

Peter Schütt, 70

■ wurde in Basbeck am Moor bei Hamburg geboren, demselben Dorf, aus dem auch Peter Rühmkorf kommt, der plattdeutsche Dichter Hermann Bosdorf und Schütts Onkel, der expressionistische Lyriker Alfred Vagts.

■ Nach dem Abitur studierte Schütt in Hamburg, wo er auf Vermittlung von Peter Rühmkorf der „Dortmunder Gruppe 61“ beitrat, einem literarischen Zirkel, aus dem später der „Werkkreis Literatur der Arbeitswelt“ hervorging.

■ 1966 wurde Schütt Mitglied des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes SDS, 1967 promovierte er über die Dramen des Barockdichters Andreas Gryphius.

■ 1968, im Jahr ihrer Gründung, trat Schütt in die DKP ein, seit 1971 war er Vorstandmitglied. Von 1973 bis 1981 war er Bundessekretär des DKP-nahen Demokratischen Kulturbundes.

■ 1988 wurde Schütt aus dem DKP-Vorstand ausgeschlossen, weil er mit dem Reformkurs des sowjetischen KP-Chefs Michail Gorbatschow sympathisierte. 1990 trat er offiziell zum Islam über.

■ 1996 pilgerte Schütt nach Mekka, ein Bericht über die Reise erschien in der FAZ.

■ Derzeit ist Peter Schütt Mitglied der Patriotischen Gesellschaft Hamburg und setzt sich für den interreligiösen Dialog ein. Seine Autobiografie „Von Basbeck am Moor über Moskau nach Mekka“ ist im Asendorfer Mut-Verlag erschienen.

INTERVIEW DANIEL WIESE

taz: Herr Schütt, was hat Ihnen besser gefallen, Moskau oder Mekka?

Peter Schütt: Na, nach damaligem Erkenntnisstand war Moskau schon mein Paradies. Ich habe den Sozialismus lange für die bessere Welt gehalten, für die gerechtere Welt auf alle Fälle. Schauen Sie, einer meiner schärfsten Kritiker, der mich verrissen hat, war Gremliza …

der konkret-Herausgeber.

Er hat eine ausführliche Kritik über mich geschrieben in konkret, die hieß „Ganghofer im Wunderland“.

Wieso „Ganghofer im Wunderland“?

Ganghofer ist dieser kitschige Schriftsteller, der die Alpen verherrlicht hat. Und wenn ich das heute lese, was Gremliza geschrieben hat, muss ich sagen, er hat das wunderbar getroffen. Ich habe die Sowjetunion restlos romantisiert, das war für mich das Paradies auf Erden. Gremliza hat sich mit meinen Vokabeln auseinandergesetzt und hat gefunden: Hier ist jemand in die Kirche eingetreten.

Sind Sie nicht auch als junger Mann zum Katholizismus konvertiert?

Als Schüler machte ich eine Klassenreise nach Würzburg, und da war ich fasziniert vom Barock. Die katholische Religion war für mich das Sinnliche, das Anschauliche, das ist doch überzeugend. Ich bin in die katholische Kirche eingetreten, und mein Jesuitenpater hat mich dann zum Ostermarsch gebracht.

Aber in die DKP sind Sie nicht aus religiösen Gründen eingetreten.

Nein, ich habe eine streng katholische Phase durchgemacht und bin nach Rom gepilgert, 1963, und habe meine Generalbeichte abgelegt, bei einem holländischen Jesuitenpater, morgens um sieben, nachdem ich eine ganze Nacht auf dem Fußboden der Lateranbasilika gefroren hatte, da musste man sich zur Buße auf den Bauch legen. Das war schon eine anstrengende Prozedur, die Hadsch war gar nichts dagegen. Und dann hörte er sich das an und fragte: Und was ist mit dem sechsten Gebot? Hast du da keine Schwierigkeiten?

Das sechste Gebot: Du sollst nicht ehebrechen?

Nein, sagte ich, ich war damals noch unberührt. Und dann sagte er: Du hast nicht die nötige Beichtgesinnung, ich kann dir deine Absolution nicht geben. Ich war verzweifelt. Ich durfte nicht am Ostergottesdienst teilnehmen und bin völlig ratlos zurückgefahren. Ein Freund in Hamburg, ein engagierter Links-Katholik, der auch zum konkret-Herausgeberkreis gehörte, der hat mir dann die Brücke gebaut zu einem liberaleren Verständnis. Ich war mit meinem Glauben am Ende. Ich bin eben ein religiöser Mensch und habe meine Höhen und Tiefen durchlebt.

Aber wie kann ein religiöser Mensch in die DKP eintreten?

Warum nicht? Ich war ja nicht in der DDR. In der SED wäre das nicht möglich gewesen, die hatte direkt in den Statuten ein Bekenntnis zum Atheismus. Aber in der DKP war das ja nicht so, es gab da ja eine ausgesprochen christliche Szene, überall gab es linke Pastoren. Erst später kam es auf Drängen der SED zu einem Kurswechsel, dann wurde gesagt: DKP und Christentum, das geht nicht, tretet in die Deutsche Friedensunion DFU ein. Und dann sind die linken Pastoren 1972 alle in die DFU eingetreten.

Aber Sie nicht. Sie saßen dann sogar im DKP-Vorstand.

Ich war ja noch kurz in der illegalen KPD, habe mich dann aber für den Aufruf zur Gründung einer legalen DKP entschieden, ich war für das offene Auftreten. Das war ein schmerzlicher Moment, wenige Wochen nach dem Einmarsch in Prag, im August 1968, denn natürlich war ich gegen den Einmarsch, ich hatte im Audimax als Vertreter des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes SDS noch dagegen gesprochen, und dann kam der Aufruf. Kurt Bachmann, der Gründungsvorsitzende der DKP, ein Auschwitzüberlebender, sagte: du musst eintreten, damit wir den Stalinismus verhindern. Im Grunde war es Bauernfängerei. Wir vom SDS wurden umworben, und in Wirklichkeit waren wir nur ein Aushängeschild.

Und wie kommt man, wenn man vom Kommunismus enttäuscht ist, zum Islam?

Schauen Sie, so groß ist das Spektrum nicht. Es gab doch in der Linken einen zunehmend kritischen Blick auf den Sozialismus. Und dann sind sie die verschiedensten Wege gegangen, die einen wurden grün, die anderen Maoisten oder Trotzkisten. Aber es gab auch immer wieder Leute, die sich religiös auf die Suche gemacht haben. Die meisten sind nach Indien gegangen, aber das war mir zu unseriös. Ich hatte immer gute Kontakte zu Muslimen, das hat sich so ergeben. Ich hatte von Anfang an muslimische Freunde, meistens linke, marxistische Freunde, meistens aus der kommunistischen Partei des Iran, der Tudeh-Partei.

Waren die nicht eher Islam-kritisch?

Die Leitung war in Ost-Berlin, in der Ifflandstraße, das war ein großes Büro. Da gab es zum Beispiel Ahmed Danesch, der war zuständig für die religiösen Beziehungen. Die Partei hat damals schon sehr auf ein Bündnis gesetzt, und insofern gab es die Diskussion zwischen Kommunisten und Muslimen in der Tudeh-Partei. Von da an habe ich mich für den Iran interessiert.

Sie sind jetzt aber schon überzeugter Muslim? Sie halten sich an das Fastengebot des Ramadan, das tun nicht alle.

Mich hat am Islam die Konsequenz interessiert. Zum Beispiel das christliche Beten: das ist unverbindlich, man kann zu jeder Tages- und Nachtzeit beten. Der Islam macht klare Vorschriften, er sagt: ja, fünfmal am Tag sollst du beten. Der Islam hat klare soziale Vorstellungen mit der Armensteuer, mit der Abgabe, mit der Pilgerreise. Es ist ein relativ einfaches, einleuchtendes Alphabet, und sehr verbindlich. Ich habe immer nach einer Gemeinschaft gesucht, habe sie im Kommunismus gesucht und in der katholischen Kirche. Im Islam habe ich diese Gemeinschaft gefunden.

Und von dem Projekt der irdischen Gerechtigkeit sind Sie abgekommen?

Nicht abgekommen, im Gegenteil. Ich habe eine ideale Vorstellung vom Islam. Diese reichen Multimilliardäre in Saudi-Arabien oder in Kuwait, was tun die für Pakistan? Was müssten sie eigentlich tun? Der Koran schreibt vor, dass der Vermögende jährlich 2,5 Prozent von seinem Vermögen und noch mal 2,5 Prozent von seinem Zugewinn spenden muss, das ist eine bindende Vorschrift. Wenn das verwirklicht würde, dann wäre Pakistan geholfen.

Aber eine Weltrevolution lässt sich mit dem Islam nicht machen, oder?

Nein, ich denke, der Islam hat in seiner politischen Struktur große Defizite. Das Kapitel Islam und Demokratie ist überhaupt noch nicht geschrieben, da steht der Islam erst am Anfang. Ich denke, was im Islam trotzdem stimmt, sind die Familienstrukturen, die Solidarität, die Nachbarschaft, die Geschwisterlichkeit der Menschen. Ich habe über meine Frau, die Iranerin ist, eine ziemlich große iranische Verwandtschaft. Man fühlt sich da geborgen, die sozialen Strukturen auf der unteren Ebene stimmen noch.

Von der Weltrevolution haben Sie sich verabschiedet?

Ja. Islam ist ja verwandt mit Salam, das bedeutet Frieden. Früher haben wir immer geglaubt, dass ist eine Sache der großen Weltpolitik. Das ist es sicherlich auch. In der DKP hatte ich öfter zu tun mit Pastor Niemöller, und der hat immer gesagt: Wie wollt ihr Frieden stiften, wenn ihr in euch selber nicht Frieden stiften könnt? Diesen Frieden kann man nur von unten aufbauen.