betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Die Geschichte spielt vor ungefähr tausend Jahren, damals, als Europa auch schon ein barbarischer Kontinent wie heute war. Im Zentrum: ein gealtertes Königspaar und seine erwachsenen Söhne. Sie lieben sich. Leidenschaftlich sogar lieben sie sich! Eleanor und Henry, die Eltern von Richard Löwenherz. Aber die Macht lieben sie noch mehr. Und so bekämpfen sie sich bis aufs Messer. Eine Achterbahn der Gefühle, die ins Innerste des Unglücks und die Abgründe der Seelen führt. „Der Löwe im Winter“ heißt die Geschichte, geschrieben von James Goldmann, dem älteren Bruder des „Herr der Fliegen“-Autors William. Eine Mischung aus Shakespeare und Hollywood. Für die Drehbuchadaption seines Dramas erhielt Goldmann 1969 einen Oscar. Und Katherine Hepburn, die in der Verfilmung von Anthony Harvey die Eleanor spielte, auch. Peter O’Toole war König Henry. Im Deutschen Theater inszeniert nun Sebastian Hartmann die Geschichte, bis zum Ende letzter Spielzeit umkämpfter Intendant in Leipzig. Sein letzter Ausflug in die Abgründe, die sich zwischen dem Individuum und seinem Versuch auftun, Geschichte zu machen als Maßnahme gegen den Tod, eine Theateradaption von Tolstois „Krieg und Frieden“, wurde im letzten Jahr zum Theatertreffen eingeladen. (Deutsches Theater: „Der Löwe im Winter“, Premiere 28. 2., 19.30 Uhr)

Wer unsterblich werden will, muss jung sterben. Dieses Rezept gegen die Vergänglichkeit haben Leute wie Jim Morrison, Marilyn Monroe oder Jesus vorgemacht. Aber wird man dann wirklich als derjenige unsterblich, der man gewesen ist? Oder überlebt man bloß als schabloniertes Format? Und wenn das so ist: Lohnt sich der Verzicht auf das richtige Leben überhaupt? Fragen wie diese hat sich die Regisseurin Nina Kupczyk gestellt und in ihr Stück „Amadeus Superstar“ einfließen lassen. Am Samstag und Sonntag ist die Hamburger Produktion in Berlin zu sehen. (Theater unterm Dach: „Amadeus Superstar“, 1./2. 3., 20 Uhr)

Aber wahrscheinlich ist das ganze Ding mit der Identität sowieso bloß Fake. Oder etwas, das uns die Gesellschaft überstülpt. Das ist für manche gut, für andere weniger. „#6 Queer sells“ hat die Formation „White on White“ (Iggy Malmborg und Johannes Schmit) ihre szenische Untersuchung überschrieben, in der sie der Frage auf den Grund geht, wie es weißen Subjekten gelingt, ihre Identität als GewinnerInnen der globalen Gegenwart zu verwischen und so ihre Machtposition zu erhalten. (Sophiensaele: „#6 Queer sells“, 27./28. 2., 1. 3., 20 Uhr)

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