LIEBLOSE KOPIE
: Ihr seid superfly

Sie sagen: „Hey Dude, bin wieder da. Alles Dandy bei dir?“

Manchmal steht eine Obdachlosenzeitungsverkäuferin vor dem Eingang der Post; manchmal ist es ein Mann. Die Frau verkauft die Motz, der Mann den „Querkopf“. Wahrscheinlich verabreden sie sich, wann die eine und wann der andere hier Dienst hat. Beide sind sympathisch, und ich freue mich, sie zu sehen. Der Verkäufer der Obdachlosenzeitung Querkopf ist ein gestandener Althippie mit Bauch und langen Haaren. Früher gehörte er sicher zu den umherschweifenden Haschrebellen, einer 68er-Fraktion, die „Haschisch, Opium, Meskalin für ein freies Westberlin“ gefordert hatte. Stell ich mir jedenfalls vor.

Er ist ein angenehm relaxter Typ, der einem nicht das Gefühl gibt, es kränke ihn, wenn man ihm keine Zeitung abkauft oder kein Geld gibt. Er gibt mir zwei Crazy Neighbours-Comics. Das sind Heftchen für „Ganjacomic“-Freunde. Irgendwie schmeichelt es mir, dass er in mir einen potenziellen Interessenten für die kleinen Heftchen sieht, die in einer Auflage von 50.000 Exemplaren gedruckt und in Cannabiszuchtzubehörgeschäften ausliegen. Es deutet ja vieles darauf hin, dass Cannabis in den nächsten zehn Jahren auch hier legalisiert werden wird.

Zu Hause blättere ich in den Heftchen, die leider ganz mies sind; eine lieblose Kopie der legendären Freak Brothers-Comics von Gilbert Shelton und furchtbar bieder. In der Berliner WG wird morgens gleich gekifft. Die jungen Leute sagen Sachen wie: „Hey Dude, bin wieder da. Alles Dandy bei dir?“ Oder: „Wow, ihr seid echt superfly.“ Ein junges Mädchen mit Marihuanablatt auf dem Slip denkt: „Irgendwie macht mich das Zeug voll horny“, und so geht es weiter. Besonders nervt, dass die in den Anzeigen beworbenen Produkte, also Lampen, Spezialdünger, Bongs, Samen, ständig in den Comics auftauchen. Abends trinke ich, statt zu rauchen, zwei Bier, um besser ins Bett sinken zu können.

DETLEF KUHLBRODT