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Archiv-Artikel

Ein Entscheid von historischer Tragweite

ARGENTINIEN Sollte Spanien Menschenrechtsverbrechen aus der Zeit des Bürgerkriegs und der Franco-Diktatur nicht verfolgen, müssen argentinische Gerichte tätig werden. Später Sieg für Ermittlungsrichter Garzón

Im April wurde Klage gegen 13 ehemalige Minister des Franco-Regimes eingereicht

BUENOS AIRES taz | Menschenrechtsverbrechen während der spanischen Franco-Diktatur können in Argentinien strafrechtlich verfolgt werden. Ein Berufungsgericht in der Hauptstadt Buenos Aires hat am Freitag die Wiederaufnahme eines entsprechenden Verfahrens angeordnet, wie die argentinische Tageszeitung Página/12 am Samstag berichtete.

Bei dem Verfahren geht es um die Hinrichtungen zweier Männer während der Zeit des Spanischen Bürgerkrieges von 1936 bis 1939 und der anschließenden Franco-Diktatur bis zum Jahr 1975. Mit diesem Beschluss muss jetzt das Gericht der ersten Instanz auf diplomatischen Weg prüfen, ob die angezeigten Verbrechen in Spanien gerichtlich verfolgt werden. Sollten spanische Gerichte in diesem Fall nicht tätig werden, ist die argentinische Justiz zur strafrechtlichen Verfolgung von Menschenrechtsverbrechen verpfichtet und muss entsprechende Klagen annehmen.

In dem Verfahren geht es um die Klage des heute 90-jährigen Darío Rivas, dessen Vater Severino Rivas, damals Bürgermeister von Castro de Rei in Galicien, 1937 ermordet wurde. Rivas konnte die sterblichen Überreste seines Vaters 1994 mit Hilfe eines alten Nachbarn ausfindig machen, aber erst 2005 in der Familiengruft bestatten lassen. Im zweiten Fall wird die Klage von Inés García Holgado geführt, deren Großonkel, Elías García Holgado, der Bürgermeister sowie Provinzabgeordneter von Salamanca war, 1936 erschossen wurde. Seine Leiche ist heute verschwunden.

Severino Rivas und Inés García Holgado hatten zusammen mit zehn argentinischen Menschenrechtsgruppen, darunter auch die Großmütter der Plaza de Mayo, die Klagen beim argentinischen Bundesgericht in Buenos Aires im April 2010 gegen 13 ehemalige noch lebende Minister des Franco-Regimes eingereicht. Das Gericht hatte jedoch am 7. Mai entschieden, dass es sich außerstande sehe, die Fälle zu verhandeln. Die Klage war zu den Akten gelegt worden. Dem Einspruch der Klage führenden Parteien ist nun am vergangenen Freitag stattgegeben worden.

Die Klage der beiden sollte auch zur konkreten Unterstützung des spanischen Ermittlungsrichters Baltasar Garzón dienen, der sich für die Opfer der lateinamerikanischen Diktaturen der 1970er Jahre eingesetzt hatte. Im Jahre 1999 gelang es Garzón, den ehemaligen chilenischen Diktator Augusto Pinochet in London mittels eines internationalen Haftbefehls festnehmen und vorübergehend unter Hausarrest stellen zu lassen.

In Spanien selbst hatte Garzón im Oktober 2008 ein Verfahren zur Untersuchung von Menschenrechtsverbrechen während des Spanischen Bürgerkrieges und der Franco-Diktatur eingeleitet. Nur zwei Monate später waren ihm die Ermittlungen von der spanischen Staatsanwaltschaft aus der Hand genommen worden.

Im Januar 2009 wurde gegen Garzón eine Klage eingereicht. Ihm wird vorgeworfen, bei den Verfahren wegen der Verbrechen der Franco-Diktatur ein Amnestiegesetz missachtet zu haben. Seit Mai 2010 ist er „wegen Überschreitung seiner Befugnisse“ von seinem Amt suspendiert. Gegenwärtig arbeitet er als Berater der Staatsanwaltschaft beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. JÜRGEN VOGT