Übung in Harmonie

Heike Catherina Mertens organisiert Kunst im städtischen Raum, die sich wie jetzt in Köpenick durch Nähe zum Publikum auszeichnet. Ein Porträt

von BARBARA KERNECK

Die Berliner leben an einem Fluss voller Geheimnisse. Gezeigt hat ihnen dies vor zwei Jahren die Kuratorin Heike Catherina Mertens mit einer Handvoll Künstler. „Com_con (constructed connections)“ hieß ihre Ausstellung um die Spree. Da schimmerten unter der Eisernen Brücke im Zentrum Leuchtkästen wie Smaragde, und in der Arena in Treptow ging das „Badeschiff“ von Susanne Lorenz vor Anker. In dessen Bassin geben sich seither die Anwohner der Illusion hin, in der Spree selbst zu schwimmen.

Für die Com_con-Ausstellung hatte die heute 39-jährige Mertens vom Hauptstadtkulturfonds und zahlreichen Privatsponsoren Mittel in Rekordhöhe von einer Million Euro mobilisiert. „Ich weiß nicht, wie sie es schafft, bei solchen Auftritten die anwesenden Fachleute genauso zu inspirieren wie die Anwohner“, wundert sich Architektin Ute Schimmelpfennig, Mertens’ etwa gleichaltrige Bauleiterin. Zusammen mit Stefan Wünscher betreiben sie seit 2001 den Verein StadtKunstProjekte in der Hagenauer Straße, Prenzlauer Berg.

Mertens wuchs in Bassum/Niedersachsen als Tochter eines Viehhändlers auf einem großen Hof auf. Später ließ sich die Mutter scheiden, machte eine Ausbildung als Hauswirtschaftsmeisterin und als solche Karriere. Die Fähigkeit, kreativ mit Geld umzugehen, vererbte sie ihrer Tochter. Die studierte 1989–95 Kunstgeschichte in Münster und legte ihr Magisterexamen mit „sehr gut“ ab. Dann ging sie mit ihrem heutigen Ehemann, dem Rundfunkjournalisten Norbert Mertens, „einfach so“ nach Berlin.

Sie kam, sah, wie viel es hier in der Stadtentwicklung noch zu tun gab, und und fasste Fuß im Projektmanagement. „Denn was nützen Freude an der Kunst und die besten Projekte, wenn keiner kommt?“ Um dies zu vermeiden, gründete sie Ihren Verein. Im Sommer 2000 wurde sie erstmals als „Kuratorin von Stadtkunstprojekten“ genannt, im Programm des Köpenicker Maisalons. Daneben stehen die sich stets in ihrem Lebenslauf wiederholenden Worte: „verantwortlich für Ausstellungskonzeption, Wettbewerbsausschreibung, Künstlerauswahl, Auswahl der Jurymitglieder“. Ein geradliniger Weg ohne Brüche? „Eigentlich wollte ich Kunstwissenschaftlerin werden“, gibt die Kuratorin zu bedenken und erinnert sich an einen Wendepunkt ihres Lebens: „Da stand ich mit dem Handy in der U-Bahn und bekam den Anruf, dass das Geld für die Com_con-Ausstellung vom Hauptstadtkulturfonds bewilligt war. Das hatte ich nicht recht erwartet. Danach habe ich drei Stunden lang vor mich hin gegrinst, dass die Leute bestimmt dachten: die ist plemplem!“

Nach der Com_con-Eröffnung sei sie erstmal in ein „tiefes Loch“ gefallen, erzählt sie weiter: „Es hatte mich drei Jahre meines Lebens gekostet, diese Vernetzungen aufzubauen, und dann kam beruflich nichts nach.“ Ein wenig Nachhaltigkeit ist trotzdem geblieben. Im September wird Mertens, die mittlerweile Mutter von zwei Kindern ist, eine Dokumentation über das Badeschiff auf der Biennale in Venedig begleiten.

Bei ihrer neuesten Ausstellung „KAiAK (Kunst+Architektur in Alt Köpenick)“ geht es um die Nutzung von Baulücken. Über die 25 Entwürfe von international renomierten Architekten und Künstlern ließ Mertens die Besucher bei einer ersten Projekt-Präsentation in Köpenick abstimmen. Das Resultat spielte bei den Entscheidungen der Jury eine wichtige Rolle. Drei Projekte wurden prämiert, fünf möchte die Kuratorin realisieren.

Der japanisch anmutende Klangpavillon zum Beispiel (Entwurf: Tamara Grcic) erfüllt perfekt die Mertens’sche Forderung, sich seiner Umgebung nicht überzustülpen. Weil sich die Landschaft auf seinen verspiegeltem Glastüren verdoppelt, verschwindet er letztlich in ihr. Er soll von der Musikschule Treptow-Köpenick genutzt werden, aber auch für Konzerte und freie Musikgruppen zur Verfügung stehen. Gezeigt werden alle 25 Projekte ab Freitag in der Karl-Hofer-Gesellschaft in Oberschöneweide. Die ist auch für entfernt wohnende Berliner mit der S-Bahn zu erreichen, leichter als die Köpenicker Altstadt, erklärt Mertens und wiederholt: „Es nützt das schönste Projekt ja nichts, wenn keiner kommt.“

Was aber macht die Art, wie Mertens Kunst im öffentlichen Raum organisiert, so besonders? Wohl die Nähe zum Publikum. Unter all den von ihr ausgewählten Objekten ist nichts Schrilles oder Provokatives. „Nein, ich bin kein Schlingensief“, sagt die Kuratorin, „meinem ganzen Wesen nach bin ich auf Harmonie aus. Wenn ich in einem Bezirk arbeite, will ich die Bevölkerung dort nicht vor den Kopf stoßen, sondern ihr etwas geben. Warum sollen die Leute nicht plötzlich merken, dass irgendetwas in ihrer Umgebung besonders schön ist?“

KAiAK – Kunst und Architektur in Alt-Köpenick 25. 8.–3. 9., Di. bis So. 13–19 Uhr, Neue Galerie der Karl-Hofer-Gesellschaft, Wilhelminenhofstr. 83–85, Haus 59, Oberschöneweide