Zehn Millionen für neue Schnellstraße

VERKEHR Im September soll die Bürgerschaft den Hamburger Finanzierungsbeitrag für die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße frei geben

Die von Anja Hajduk (GAL) geführte Stadtentwicklungsbehörde möchte die verlegte Wilhelmsburger Reichsstraße im Frühjahr 2013 in Betrieb nehmen. Dann wäre sie rechtzeitig zur Internationalen Gartenbauausstellung (IGS) und zum Abschlusspräsentationsjahr der Internationalen Bauausstellung (IBA) auf der Elbinsel fertig.

■ Der Zeitplan: Im September soll die Bürgerschaft den Hamburger Finanzierungsanteil bewilligen. Noch in diesem Jahr will die Behörde das Planfeststellungsverfahren einleiten. 2011 soll dieses abgeschlossen sein, 2012 mit dem Bau begonnen werden.

■ Kosten: Laut Senat wird die Stadt bis zur Fertigstellung nicht nur 10,4 Millionen Euro für die Baukosten bezahlen, sondern weitere 9,6 Millionen für die Planung. Die Bundesregierung finanziert mit 57 Millionen den Rest der Baukosten und den Grundstückskauf.

Die Pläne für eine Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße B4 / B75 nehmen Gestalt an. Am Freitag berät der Stadtentwicklungsausschuss über die Freigabe von 10,4 Millionen Euro, die Hamburg bei der Verlegung zuzahlen müsste. Den Rest übernähme der Bund. Die Stadtentwicklungsbehörde würde gerne noch in diesem Jahr das Planfeststellungsverfahren für das Projekt einleiten.

Die Idee, die Reichsstraße zu verlegen oder ganz verschwinden zu lassen, war im Rahmen einer Zukunftskonferenz vor neun Jahren entstanden. Dadurch würde eine der Trennlinien, die den Stadtteil von Norden nach Süden durchziehen, verschwinden und die Lärmbelastung verringert. Was damals als kaum realisierbarer Traum erschien, stößt heute auf Widerstand im Stadtteil. VertreterInnen der Einwohnerschaft verlangen, die Schnellstraße müsse als solche gestrichen und der Verkehr anderweitig verteilt werden.

Zu der Ablehnung hat beigetragen, dass die neue Straße doppelt so breit werden soll wie die alte aus dem Jahr 1951. „Die Fahrbahnbreiten sind unterdimensioniert und entsprechen unter Sicherheitsaspekten keinem geltenden Regelwerk“, stellt der Senat in seinem Bericht an die Bürgerschaft fest. Weil die Fahrbahnen so schmal seien, häuften sich die Unfälle. Bei der fälligen Grundsanierung müsste die Bundesstraße auch in ihrer heutigen Lage verbreitert werden.

Im Stadtteil machte daraufhin die Rede von einer neuen „Autobahn“ die Runde – besonders brisant, weil die Stadtentwicklungsbehörde auch die Pläne für eine Hafenquerspange vorantreibt: eine Autobahn von der A 7 zur A 1.

Als Alternative zur Reichsstraße entwickelte Michael Rothschuh vom Verein Zukunft Elbinsel eine Idee, nach der aus der Bundesstraße eine Stadtstraße mit Tempo 50 werden und der Lastwagenverkehr durch die angrenzenden Industriegebiete um die Elbinsel herum gelenkt werden soll. Zu verteilen wären 55.000 Fahrzeuge am Tag, davon 5.500 Lastwagen – das entspricht in der Dimension der Ludwig-Erhard / Willi-Brandt-Straße.

Ihren Charme bezieht die Idee einer Verlegung oder Aufhebung der Reichsstraße daraus, dass der Lärmteppich, der über dem Stadtteil liegt, kleiner würde. Auch bei einer Verlegung würde sich Krach auf die Eisenbahntrasse konzentrieren. Bei der Autobahn wie bei der Eisenbahn wären dann Lärmschutzwände oder -wälle fällig, die der Bund und die Bahn bezahlen müssten. Selbst Teile der Opposition wollen sich daher den Plänen nicht verschließen. „Wenn für die Anwohner ein besserer Lärmschutz auch in Bezug auf die Bahn erfolgt, dann sind wir dafür“, sagt Martina Koeppen von der SPD-Bürgerschaftsfraktion. Die Linke bezweifelt, dass der Lärmschutz finanzierbar wäre. „Eine die Insel zerschneidende Stadtautobahn wird von den Bürgern abgelehnt“, sagt der Bürgerschaftsabgeordnete Joachim Bischoff.

Durch die Bündelung mit der Bahn würde jedoch gerade eine zerschneidende Verkehrsachse wegfallen, was die Sache planerisch interessant macht. Das Wilhelmsburger Zentrum würde frei und könnte mit Leben gefüllt werden. GERNOT KNÖDLER