Der Weltgeist im Brauhaus

SPIRITUALITÄT Meister Eckhart lehrte im Mittelalter in Köln und Paris. Eine Stippvisite brachte ihn vor 700 Jahren nach Hamburg

Eckhart ist vor allem Philosoph gewesen, und zwar ein höchst urbaner

Ein hoher Rang kann eine Bürde sein. Das mag sich Meister Eckhart gedacht haben, als es ihn aus Straßburg ins „Brauhaus der Hanse“, in die Bierstadt Hamburg verschlug. Als Provinzial der Dominikaner musste er an einem Provinzkapitel an der Elbe teilnehmen. Das war 1310, währte auch nur ein paar Tage – damit aber lang genug, um es 700 Jahre später in Erinnerung zu rufen und sich ein wenig damit zu schmücken.

Ein zweites Band, das die Elbmetropole mit Meister Eckhart verbinden soll, ist ein Codex mit 31 Predigen, die ein Dominikaner nach Eckharts Tod zusammenstellte, und der im 18. Jahrhundert in die Hamburger Bibliothek gekommen ist. Über Eckhart und dieses Schriftstück wird heute in der Staatskanzlei referiert, am 18. September folgt in der Sankt-Sophien-Kirche eine „Mystische Nacht mit Meister Eckhart“.

Eckhart schmückt: Das ist eine alte Geschichte, wenn auch nicht so alt wie Eckhart selbst. Denn am Ende seines Lebens stand ein Inquisitionsprozess, der seine Lehren als häretisch verdammte. Eckhart hatte dummerweise einen zu hohen Begriff vom Menschen, den er in ein direktes Wechselverhältnis zu Gott rückte. Sehr zum Missfallen des Papstes, da für die kirchliche Gnadenverwaltung eine gewisse Gottferne des Menschen unverzichtbar erschien.

Dass ihn die Kirche nicht haben wollte, machte Meister Eckhart später erst recht zur schillernden Figur, zum Objekt andauernder Vereinnahmungsversuche. Evangelische Theologen sahen ihn als „Präprotestanten“, der NS-Chefideologe Alfred Rosenberg als Beispiel deutscher Innerlichkeit, und für den Japaner Daisetzu Suzuki ist er Zen-Buddhist. Am hartnäckigsten aber hält sich das Gerücht, Eckhart sei ein Mystiker.

An diesem Bild rüttelte zuletzt der Mittelalterkenner Kurt Flasch. Der schreibt, Eckhart sei vor allem Philosoph gewesen, und zwar ein höchst urbaner. Er habe die Armuts- und Frauenbewegung des späten Mittelalters aufgegriffen, Gelassenheit begründen und die Bibel philosophisch beweisen wollen. Beeinflusst hätten ihn dabei arabische Denker wie Avicenna und Averroes und der jüdische Philosoph Moses Maimonides. Nimmt man noch hinzu, dass Eckhart aus der Nähe von Gotha stammte, in Erfurt, später in Köln und Paris studierte, dort an der Universität lehrte, in Straßburg wirkte, wieder nach Köln ging, erneut in Paris lehrte um nach weiteren Stationen in Avignon kurz vor Ende des Inquisitionsprozesses zu sterben, dann ließe sich sagen: Eckhart war ein frühes Produkt der Globalisierung, ein nomadisierender Weltgeist – den es auch kurz mal nach Hamburg verschlagen hat. MAP