: Die mittelständische Schwester der Kommunisten
PRESSEVIELFALT Die Bauer Media Group setzt sich vor Gericht gegen den Grossistenverband durch
Der Mittwoch dieser Woche war, wenn man dem Bundesverband der Pressegrossisten glauben darf, ein „schwarzer Tag für die Presselandschaft in Deutschland“. Auch Tabea Rößner, die medienpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, lässt es nicht an Pathos fehlen: Das Urteil „wirft uns im Kampf um den Erhalt der Pressevielfalt zurück“, sagt sie.
Es geht um eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf, das eine Berufung des Grossistenverbands zurückgewiesen hat. Die Lobbyorganisation vertritt die für den Normalbürger unsichtbaren Grossisten, die das Bindeglied zwischen den Verlagshäusern und den Kiosken sind. Die rund 70 Grosso-Unternehmen, die zur Gleichbehandlung aller Produkte verpflichtet sind, stellen das Angebot an den Verkaufsstellen zusammen. Seit vielen Jahren kämpft der Verband gegen die Bestrebungen der Bauer Media Group (Astrowoche, Schöne Woche, Mach mal Pause), separat mit jedem einzelnen Grossisten zu verhandeln. Der Verband dagegen will, wie es Jahrzehnte lang Usus war, zentral für seine Mitglieder die Konditionen vereinbaren.
Das OLG gab nun dem Globalkonzern aus Hamburg Recht. Die bewährte Praxis verstoße gegen das im Vertrag über die Arbeitsweise der EU verankerte „Kartellverbot“. Die Reaktionen von Rößner und Co. lassen auf den ersten Blick vermuten, es drohten Verhältnisse wie in manchen osteuropäischen Staaten. So schlimm wird es nicht kommen, aber eine Zäsur bedeutet das Urteil allemal. Wenn Verlage bilateral mit jedem Grossisten verhandeln, kann das dazu führen, dass die Auslieferer bestimmte Produkte vorrangig behandeln. Dies wiederum können nur Medienhäuser durchsetzen, die sich gegenüber den Grossisten in einer gewissen Machtposition befinden.
Das Netzwerk der Grossisten lässt sich mit den Netzen der Stromwirtschaft oder der Telekommunikation vergleichen: Es gewährleistete bisher, dass jemand, der das Netz für seine Produkte nutzt, keinen Einfluss hatte auf dessen Ausgestaltung. Profitiert haben davon nicht zuletzt neue Titel, die leichter Zugang zum Markt bekamen als in anderen Ländern.
Vor dem Urteil hatte Bauer die Säbel rasseln lassen. In einem Brief ans OLG, der auch bei der FAZ landete, war die Rede von der „fehlenden Funktionsfähigkeit der politischen Institutionen“. Die Blutgrätsche bezog sich auf die 8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die noch die schwarz-gelbe Koalition verabschiedet hatte, Diese „Lex Grosso“, die die gesetzliche Basis für die von Bauer attackierte Praxis schaffen sollte, war eine schwere Geburt, sie musste durch den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat. Erst im Juni 2013 fand der Ausschuss einen Kompromiss. Zumindest die Düsseldorfer Richter hat diese Novelle aber nicht beeindruckt.
Bauers Konzerngeschäftsleiter Andreas Schoo freut sich nun, dass „wir beginnen können, den deutschen Pressevertrieb modern und marktwirtschaftlich zu organisieren“. Das klingt, als sei der Grossistenverband die mittelständische Schwester der Kommunistischen Plattform. Schoo kann sich die dicke Hose leisten. Für Bauer, Zeitschriftenmarktführer etwa in Großbritannien, Australien und Polen, ist es nicht der erste große juristische Sieg in Sachen Grosso. Im Oktober 2011 gewann das Medienhaus bereits vor dem Bundesgerichtshof gegen einen Grossisten, der wegen einer Kündigung seitens Bauers geklagt hatte.
Zumindest die Kritiker des Urteils sind erstaunt darüber, dass das OLG keine Revision zugelassen hat. Immerhin geht es um einen Grundsatzstreit. Beendet ist die Sache dennoch nicht: Der Grossistenverband will nun eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH einlegen. RENÉ MARTENS