piwik no script img

Archiv-Artikel

Krimkrieg mit Worten und Tumulten

KONFLIKT Russland warnt Nachbarland. Bewaffnete Demonstranten besetzten Regionalparlament in Simferopol

Bären in Not

■ Der entlassene Präsident Wiktor Janukowitsch ließ nicht nur Menschen foltern und umbringen – er hat auch fünf Bären gequält, darunter drei Jungtiere. Darauf machte am Donnerstag die Tierschutzorganisation Vier Pfoten aufmerksam, die die Tiere nun in ihre Obhut genommen hat.

■ Die Bären seien in der Winterresidenz des mittlerweile flüchtigen Expräsidenten in den Karpaten in zwei viel zu kleinen Käfigen gefunden worden, hieß es weiter.

■ Vier Pfoten, dessen Notfallteam die Tiere inzwischen mit Futter versorgt, sucht eine langfristige Lösung. Bärenexperte Carsten Hertwig: „Wir befürchten, dass die Bären verkauft werden! Gerade die Bärenjungen schweben in großer Gefahr, so in einer nicht bärengerechten Haltung zu landen.“ (klh)

VON BERNHARD CLASEN

MOSKAU taz | Zwischen der Ukraine und Russland droht ein militärischer Konflikt. Russland hat am Donnerstag die an der Grenze zum Nachbarland stationierten Luftwaffeneinheiten in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Zuvor hatte das Außenministerium in Moskau erklärt, Russland werde die Rechte seiner Landsleute auf der Krim „stark und kompromisslos“ verteidigen. Der Auslöser ist die Eskalation der Gewalt auf der Krim.

Am Mittwochabend war es bei Demonstrationen von Befürwortern und Gegnern der neuen ukrainischen Machthaber mit über 20.000 Teilnehmern im Zentrum von Simferopol, der Hauptstadt der Autonomen Republik Krim, zu Tumulten gekommen. Dabei waren mindestens 30 Menschen verletzt worden, einige davon mussten im Krankenhaus behandelt werden. Zwei Männer starben, einer davon an einem Herzinfarkt.

Daraufhin haben sich zahlreiche, zum Teil bewaffnete Gruppen von Demonstranten auf den Weg nach Simferopol gemacht. Dort besetzten in der Nacht zum Donnerstag etwa 60 bis 120 Bewaffnete das Regionalparlament und das Gebäude des Ministerrats und hissten die russische Trikolore. Die Maskierten bezeichneten sich als „Vertreter der Selbstverteidigung der russischsprachigen Bevölkerung der Krim“. Politische Forderungen stellten sie zunächst nicht.

Ein Gesprächsangebot des russischen Generalkonsulats schlugen sie aus, berichtet laut BBC der stellvertretende Premierminister der Krim, Rustam Temirgaliew. Journalisten, denen es gelungen war, in eines der besetzten Gebäude einzudringen, wurden unter Androhung von Gewalt hinausgejagt.

Man werde diese Besetzung nicht hinnehmen, erklärte Arsen Awakow, amtierender Innenminister der Ukraine, auf seiner Facebook-Seite. Miliz und Truppen des Innenministeriums seien in höchster Alarmbereitschaft. Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft leitete ein Verfahren wegen Terrorismus ein. Übergangspräsident Alexander Turtschinow bezeichnete die Besetzer als „Verbrecher“. Er habe den Sicherheitskräften befohlen, die Gebäude zurückzuerobern.

Eine zentrale Rolle in dem Konflikt auf der Krim spielt die in Sewastopol stationierte russische Schwarzmeerflotte. Die Ukraine halte sich an das Abkommen mit Russland, das die Anwesenheit russischer Streitkräfte auf der Krim bis 2042 garantiert, erklärte Turtschinow. Er wolle auch nicht, dass diese Streitkräfte das Land verlassen. Gleichzeitig warnte er Russland jedoch vor einem Einsatz dieser Streitkräfte. Sollten Soldaten der Schwarzmeerflotte das mit Russland vertraglich vereinbarte Gebiet um Sewastopol verlassen, werde die Ukraine dies als kriegerische Aggression werten.

Der neue Geheimdienstchef der Ukraine, Valentin Naliwaitschenko, erklärte, er werde die Länder, die die Unabhängigkeit und die territoriale Unversehrtheit der Ukraine garantieren, vor allem die USA und Russland, ständig über die Entwicklung auf dem Laufenden halten. Der Konflikt müsse friedlich gelöst werden und die Grundlage aller Verhandlungslösungen sei die Garantie der territorialen Unversehrtheit der Ukraine.

„Ich fordere Russland dringend auf, keine Handlungen zu unternehmen, die die Spannungen verschärfen oder zu Missverständnissen führen können“

NATO-GENERALSEKRETÄR RASMUSSEN ZU DEN SPANNUNGEN ZWISCHEN DER UKRAINE UND RUSSLAND

Einer der Auslöser für die Proteste auf der Krim war die Entscheidung des ukrainischen Parlaments, das Sprachengesetz, das insbesondere Russisch den Status einer zweiten Amtssprache gegeben hatte, zurückzunehmen. Dadurch fühlte sich die vorwiegend Russisch sprechende Bevölkerung der Krim diskriminiert. Inzwischen ist Vitali Klitschko der Auffassung, dass dies ein Fehler war.

Inzwischen zeigen auf der Krim russische Politiker verstärkt Präsenz. Am Donnerstag sprach Sergei Mironow, der Fraktionsvorsitzende von „Gerechtes Russland“, in der russischen Staatsduma und in Sewastopol mit Angehörigen der russischen Schwarzmeerflotte. Er traf sich mit dem Bürgermeister und mit prorussischen Demonstranten. Vor wenigen Tagen war bereits eine Parlamentarierdelegation der KP Russlands auf der Halbinsel eingetroffen.

Unterdessen mahnte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen Russland zur Zurückhaltung. „Ich fordere Russland dringend auf, keine Handlungen zu unternehmen, die die Spannungen verschärfen oder zu Missverständnissen führen können“, sagte Rasmussen zu Beginn eines Treffens der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel.

Infolge der Eskalation haben die 300.000 Krimtataren einen Organisationsstab gegründet, der mit dem ukrainischen Innenministerium, der Polizei und der Staatsanwaltschaft in Verbindung steht.