: Belgien zur Urinprobe
Die Ursache für die Verseuchung von Fluss- und Trinkwasser mit PFT ist vermutlich gefunden: Klärschlamm aus Belgien. Die Rückstände wurden zu Dünger verarbeitet und kamen so aufs Feld
ARNSBERG dpa ■ Die Quelle für die mit der Industriechemikalie PFT verunreinigten Felder und Gewässer in NRW, Hessen und Niedersachsen liegt möglicherweise in Belgien. Heute findet im flandrischen Umweltministerium ein Informationsaustausch statt, berichtete gestern das Düsseldorfer Umweltministerium. Dazu reisen Vertretern nordrhein-westfälischer Umweltbehörden nach Belgien.
Bei der Spurensuche sind die Behörden auf zwei belgische „Schlammkonditionierer“ als mögliche Verursacher gestoßen. Dort werden nach Auskunft von Joachim Loheide vom Staatlichen Amt für Umwelt und Arbeitsschutz (Stafua) in Minden Klärschlämme verarbeitet. Diese beiden Unternehmen haben das Bodenmischwerk GW Umwelt in Borchen bei Paderborn beliefert.
Dort wurde der für die Verschmutzung verantwortliche Dünger „Terrafarm“ aus Abwasserklärschlämmen der Lebensmittelindustrie und Mineralkalk gemischt. Von GW Umwelt war gestern keine Stellungnahme zu dem Sachverhalt zu erhalten. Nach Bekanntwerden der Verschmutzung hatte GW Umwelt die Auslieferung und Produktion von „Terrafarm“ eingestellt.
Möglicherweise wurden in dem Dünger aber auch andere Stoffe verarbeitet. „Ob bewusst oder unbewusst, ist nicht klar“, sagte Loheide. Für ihn ist es aber unwahrscheinlich, dass die hohen PFT-Konzentrationen, die teilweise in dem als organischer Dünger vertriebenen Gemisch gefunden wurden, aus der Nahrungsmittelindustrie kommen. „So hohe Konzentrationen bekommt man über Pommes-Schachteln nicht zusammen“, sagte Loheide. Er vermutet, dass möglicherweise Industrieabfälle wie Feuerlösch-Rückstände oder Abfälle aus anderen Industriebereichen in dem als Nahrungsmittelklärschlamm gekennzeichneten belgischen Abfall als PFT-Quelle in Frage kommt. „Der Verdacht der Falschdeklaration drängt sich auf.“
Heute will Loheide zusammen mit einem Vertreter des Landesumweltamtes und der Bezirksregierung Arnsberg in Brüssel Informationen austauschen. Dabei hofft er vor allem herauszufinden, welche Abfälle bei den beiden Firmen in Belgien verarbeitet wurden. „Offiziell sind sie die Abfall-Erzeuger“, sagte Loheide. Aber es sei leider so, dass jeder Betrieb, auf dessen Gelände der Abfall gelagert oder verarbeitet wird, zum Erzeuger wird. Dort werden neue Papiere erstellt, ohne die ursprünglichen Lieferanten zu nennen. „Die Zulieferer der beiden Schlammkonditionierer stehen für uns im Dunkeln“, kritisierte Loheide.
Bei dem Gespräch mit den flandrischen Behörden wollen die Experten aus NRW auch Hilfe anbieten. „Es gibt in Belgien nur ein Labor, das die Untersuchungen durchführen kann. Wir werden anbieten, Proben die man uns schickt, zu analysieren.“ Allerdings gebe es keine Handhabe für die deutschen Behörden. „Wir sind dabei von der Kooperationsbereitschaft der belgischen Behörden und der betroffenen Betriebe abhängig“, sagte ein Sprecher des Umweltministeriums.
Die in hohen Konzentrationen als gesundheitsschädlich eingestufte Industriechemikalie war zufällig von Wissenschaftlern der Uni Bonn im Rahmen einer Gewässeranalyse festgestellt worden (taz berichtete). Besonders belastet ist der Oberlauf der Möhne im Sauerland. Dort waren direkt an Bächen gelegene Felder mit „Terrafarm“ gedüngt worden. Die Belastung der Möhne hatte in Arnsberg-Neheim zu einer Trinkwasser-Belastung geführt. Die PFT-Konzentration des aus Uferfiltrat gewonnenen Trinkwassers überschritt die für Säuglinge und Schwangere unbedenklichen Werte. Daraufhin wurde bis zum Einbau einer Aktivkohle-Filteranlage abgepacktes Trinkwasser verteilt.