piwik no script img

Archiv-Artikel

Die Weser-Förde-Connection

Wie Reiner Pfeiffer aus dem Dunstkreis der Bremer CDU zum Wahlkampfhelfer für Uwe Barschel wurde, und was der Springer-Verlag damit zu tun hatte. Entscheidendes Treffen heute vor 20 Jahren

von BERNHARD RÖHL

Am 25. August 1986 befahl der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Uwe Barschel, seinem Fahrer, ihn nach Hamburg zu bringen, zum Springer-Konzern. Barschel wollte den damaligen Vorstandsvorsitzenden Peter Tamm sprechen. Der schilderte das Gespräch später vor dem Untersuchungsausschuss des Kieler Landtags zur Barschel/Pfeiffer-Affäre so: „Am Rande der politischen Tour d‘horizon hat Dr. Barschel gefragt, ob der Verlag einen geeigneten Journalisten wisse, der bereit wäre, für die Dauer des Wahljahres 1987 in die Pressestelle der schleswig-holsteinischen Landesregierung zu wechseln.“ Der Verlag wusste.

Reiner Pfeiffer landete in Kiel, um für Barschel einen schmutzigen Wahlkampf gegen den SPD-Kandidaten Björn Engholm zu führen. In der Hamburger Morgenpost vom 10. Oktober 1987 prahlte er, „daß sich der Verlagschef Peter Tamm innerhalb des Konzerns über mich erkundigt hat“ – eine Behauptung, der Tamm vor dem Kieler Untersuchungsausschuss widersprach. Ihm sei Pfeiffer damals kein Begriff gewesen. Vielmehr sei es sein Büroleiter Gerd Rattmann gewesen, der den Kontakt zwischen Pfeiffer und Barschels Regierungssprecher Gerd Behnke hergestellt habe.

Am 7. November 1986 trafen sich Behnke und Pfeiffer im Büro von Bild-Chefredakteur Günter Prinz im Springer-Hochhaus. Zwei Tage später schrieb Pfeiffer an Behnke: „Ich habe mich fest entschlossen, und dies fiel mir nicht schwer, für den Wahlsieg der CDU in Schleswig-Holstein zu kämpfen wie ein potentieller Olympiasieger. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen und werde mein Bestes tun, dem mir vorauseilenden Ruf als hartnäckiger, ideenreicher und belastbarer Kollege auch gerecht zu werden.“

Kaum hatte er seinen neuen Job angetreten, diktierte Pfeiffer am 7. Dezember seiner Sekretärin – und Geliebten – Jutta Schröder einen Brief an Tamms Büroleiter: Rattmann könne „sicher sein, dass ich jede Aufgabe optimal erfüllen werde. Dies gilt auch für meine in Kiel begonnene Tätigkeit, die im Wesentlichen so beschrieben werden kann, das Image des Ministerpräsidenten aufzupolieren, andererseits das Ansehen des Gegenkandidaten wirkungsvoll zu demontieren.“ Über den Verlauf seiner Manipulationen werde er Rattmann regelmäßig berichten.

Der nächste Brief an den Springer-Konzern datiert vom 24. Dezember 1986: „In Kiel läuft es bisher nach meiner Einschätzung optimal, was meinen Arbeitseinsatz angeht. Nur glaube ich, dass den Kollegen hier mitunter der richtige Biss fehlt, der einen guten Boulevard-Journalisten auszeichnet. Indem ich dem Hause Springer weiterhin alle Ehre zu machen versuche, verbleibe ich bis zur nächsten Zwischennachricht …“

Ehe Pfeiffer in Kiel Barschels Mann fürs Grobe wurde, war er in Bremen Redakteur beim CDU-Blatt Weser-Report gewesen – „sieben Jahre lang Chefredakteur, danach mit einer Unterbrechung verantwortlicher politischer Redakteur“, wie er später dem Kieler Untersuchungsausschuss berichtete. Aus Bremen stammten auch seine Verbindungen zu Bernd Neumann, damals CDU-Vorsitzender an der Weser, heute Kulturstaatsminister des Bundes in Berlin. Neumann hatte 1977 in Bremen für einen Eklat gesorgt, als er während einer Bürgerschaftsdebatte über ein Gedicht des Schriftstellers Erich Fried sagte: „Derartige Werke müssten verbrannt werden.“ Fried, der selbst vor den Nazis nach England geflohen war, hatte in seinem Gedicht „Die Anfrage“ die Urteile gegen Ulrike Meinhof und andere Mitglieder der RAF kritisiert und die Frage gestellt: „Wie viele Tausend Juden müsste ein Nazi ermordet haben, um zu so langer Haft verurteilt zu werden?“

Im Dezember 1986 stellte Neumann Pfeiffer ein Zeugnis für dessen neuen Dienstherrn aus. Darin bezeichnete er ihn als „ausgesprochenen Kämpfertyp“, der „sehr belastbar und äußerst fleißig“ sei und „die Brisanz politischer Themen auf Anhieb“ erkenne. Pfeiffers Kontakte zum Springer-Verlag liefen ebenfalls über die Bremer Schiene. Nachdem sein Vorgesetzter beim Weser-Report, Bernd Plogmann, bei Springer als „Serienautor“ untergekommen war, empfahl er Pfeiffer als Redakteur weiter. Mit Erfolg: Pfeiffer wurde für die von Springer geplante, aber nie realisierte Tageszeitung Der Tag engagiert, Gehalt: 9.000 Mark plus Weihnachtsgeld.

Die Wege von Pfeiffer trennten sich. Der Fried-Eklat hatte dem CDU-Politiker nicht geschadet, 1987 zog er in den Bundestag ein. Erst dieses Jahr, bei einer Tagung der Schriftstellervereinigung PEN, kam die Geschichte durch einen Brief wieder hoch, in dem der Hamburger Schriftsteller Otto Köhler an die damaligen Ereignisse erinnerte.

In der Zeit, in der Pfeiffer beim Weser-Report arbeitete, wurde mindestens ein Dutzend Verfahren wegen Beleidigung und Diffamierung gegen das Blatt eingeleitet. In Kiel macht Pfeiffer da weiter, wo er in Bremen aufgehört hatte: Anonym zeigte er Oppositionsführer Björn Engholm beim Finanzamt Lübeck wegen Steuerhinterziehung an. Engholm wurde von Detektiven bespitzelt, eine Pressemeldung der Grünen gefälscht. Die CDU-Propagandamaschine verbreitete Gerüchte, Engholm sei schwul und an Aids erkrankt. Gleichzeitig dichtete sie ihm Affären mit mehreren Frauen an.

Am 7. September 1987 enthüllte der Spiegel die so genannte „Waterkantgate-Affäre“. Pfeiffer hatte Kontakt mit Vertretern der SPD und der Spiegel-Redaktion aufgenommen. Die Abläufe, an denen er beteiligt war, hätten ihn zunehmend betroffen gemacht, behauptete Pfeiffer. Auch habe er eine größer werdende Distanz zum Machtmenschen Barschel verspürt.

Zuvor indes war Pfeiffer vom Kieler Regierungssprecher Gerd Behnke mitgeteilt worden, dass er seinen Posten nach der Wahl verlieren würde. Auch der Springer-Konzern bot ihm keine leitende Funktion an.

Am 18. September 1987 gab Barschel sein berühmtes Ehrenwort. Am 25. trat er als Ministerpräsident zurück. Am 12. Oktober wurde er tot in der Badewanne des Hotels „Beau Rivage“ in Genf gefunden.

Nach der Barschel-Affäre wurde Reiner Pfeiffer arbeitslos. Bis Ende 1988 bekam er vom Spiegel monatlich 5.700 DM „Verdienstausfall“. Im März 1992 trat er den Posten als Chef- und einziger Redakteur des kurzlebigen Magazins Bremer Spektrum an. Im März 1998 berichtete die ARD-Sendung „Kontraste“, Pfeiffer sei als Kreditvermittler in Oyten bei Bremen tätig.