Ein Archiv wider die Vergänglichkeit

INTERNET-KUNST Blick ins Netz: Das Oldenburger Edith-Russ-Haus präsentiert die „NETescopio“-Sammlung aus dem spanischen Badajoz

Eigentlich ist es ein normaler Vorgang: Da sammelt einer Kunst. Und ob die aus dem Internet stammt oder physisch im Museum steht, ist erst mal nebensächlich. Nicht ganz so irrelevant ist die Frage, wie weit die Rekonstruktion dessen wünschenswert ist, was als vergänglich konzipiert war. Darf man zum Beispiel eine zerfallende Latex-Skulptur rekonstruieren und immer noch authentisch nennen? Soll man ein temporäres Web-Kunstwerk aufbewahren?

Das MEIAC-Museum für moderne Kunst im südspanischen Badajoz hat genau das getan: 2008 wurde dort die Sammlung NETescopio gestartet, ein Internet-Archiv, das schon 120 Werke vereint. Es wächst ständig und enthält auch Arbeiten, die nicht mehr im Internet zu finden sind. Insofern ist es durchaus exklusiv. Andererseits wirkt das Ganze fast archäologisch: Das Konservieren passt nicht zu einem Medium, das vom schnellen Ersatz des einen durch das andere lebt.

Ersetzt wird in der Oldenburger Ausstellung jetzt aber gar nichts. Ein chronologischer Parcours zeigt die Entwicklung der Netzkunst von den 1990er-Jahren bis heute. Anfangs testeten Künstler das Netz als Medium, mit alternativen Browsern etwa. Gern wurde auch dekonstruiert, was man an Strukturen vorfand.

Später begannen Künstler zu reagieren, sahen sich nicht mehr als Erschaffer, sondern als Remixer von Informationen. Vorgefundenes wurde verändert und erzeugte entsprechende Diskurse über Original und Kopie.

Inzwischen nutzt die Netzkunst die Osmose privaten und öffentlichen Raums. Darf man eine private Homepage manipulieren? In Nutzercomputer eindringen – als Spion oder Flaneur? Viele Künstler tun es, die Grenze zur Illegalität verschwimmt und die zur Sichtbarkeit gleich mit: Der Künstler agiert nicht mehr als erkennbarer Counterpart, sondern als Guerillero.

All das ist nicht exklusiv dem Internet zu eigen. Dass man es in Oldenburg auf kleinstem Raum erleben kann, ist aber ein Alleinstellungsmerkmal des Mediums: Video-Monitore, Working-Stations, QR-Codes und Wandtexte: Einen so kompakten Webkunst-Parcours sieht man nicht alle Tage. Außer – von jedem Punkt der Welt aus im Internet.  PS

■ „Blick ins Netz. NET.ARtografie“: 7. März bis 2. April, Edith-Russ-Haus für Medienkunst, Oldenburg