: Bäume für die Zugvögel
Der faire Kaffeehandel macht in Deutschland nur zwei Prozent aus, aber Klaus Jähn vom Weltladen „Bramfelder Laterne“ verzagt nicht: Er glaubt an eine europäische Bewusstseinsveränderung
Interview: PETRA SCHELLEN
taz: Herr Jähn, Ihr Laden zeigt derzeit eine Ausstellung zum fairen Kaffeehandel in Mexiko. Glauben Sie, dass Sie den Kleinbauern in Lateinamerika und Afrika wirklich helfen können?
Klaus Jähn: Ja. Denn die Genossenschaften, die sich am fairen Handel beteiligen, zahlen ihren Mitgliedern einen Lohn, von dem sie zumindest leben können. Und das ist mehr als der Mindestlohn in den jeweiligen Staaten. Denn für die Kindererziehung reicht der Mindestlohn in vielen Entwicklungsländern nicht aus. Dies zu gewährleisten, heißt für uns „fair“. Abgesehen davon gibt es natürlich inzwischen auch internationale Mindeststandards, die die großen Firmen entwickelt haben.
Wie kam es dazu?
Die Firmen sind vielfach angegriffen worden, weil sie Handel treiben auf Kosten der Armen und von Kinderarbeit, Zwangsarbeit und unzureichendem Arbeitsschutz profitierten. Auch durften sich die Mitarbeiter der Zulieferbetriebe oft nicht gewerkschaftlich organisieren. Das alles einzufordern, ist Teil der Mindeststandards, die auch viele Hamburger Firmen inzwischen von ihren Lieferanten fordern.
Dies muss aber auch überprüft werden.
Ja – und genau das ist das Problem. Denn neben den sozialen Standards sind natürlich auch die ökologischen Bedingungen interessant. Die Nordamerikaner zum Beispiel interessieren sich inzwischen sehr lebhaft dafür, was angesichts der großen Kaffeeplantagen in Mexiko mit den Zugvögeln passiert.
Wieso das?
In konventionellen Betrieben wird für eine Plantage ein Feld gerodet. Dort werden Kaffeebäume angebaut; anschließend wird 30, 40 Jahre lang Kaffee produziert. Bei unseren Produzenten des „fairen Handels“ ist das nicht so. Da wird der Wald nicht gerodet, sondern die großen Urwaldbäume bleiben stehen. In deren Schatten wird organischer Kaffee angebaut. Um die Fruchtbarkeit des Bodens zu erhöhen, werden außerdem Leguminosen dazwischen gepflanzt. Das sind Hülsenfrüchtler, die den Stickstoffgehalt im Boden erhöhen.
Kommen wir noch mal auf die Zugvögel.
Nun, die Nordamerikaner fragen die Kaffeeproduzenten: Was passiert mit unseren Zugvögeln, wenn die im Winter nach Süden migrieren und dort aufgrund der Rodungen für die Kaffee-Plantagen keine Bäume vorfinden? Denn die weltweite Fläche, die für Kaffeeplantagen verwandt wird, ist größer als Portugal. Und der meiste Kaffee, den wir kennen, kommt aus Mittel- und Südamerika. Da gibt es etliche Staaten, die noch stärker als die Lateinamerikaner von Kaffee-Exporten abhängig sind.
Welche sind am meisten abhängig davon?
Uganda, Burundi, Äthiopien, Tansania, Papua-Neuguinea. Die meisten Länder, die vom Export abhängig sind, sind afrikanische Länder – obwohl der afrikanische Kaffee bei uns nicht so bekannt ist.
Wohin wird der afrikanische Kaffee exportiert?
Der geht in den Mischkaffee ein, den wir hier normalerweise kaufen. Es gibt Kaffeekoster, die die verschiedenen Sorten prüfen und dann eine Mischung zusammenstellen. Das ist das übliche Verfahren.
Welches ist der höchstwertige Kaffee?
Es gibt zwei Grundsorten. Die eine wächst im Tiefland und ist relativ robust. Die andere wächst im Hochland und heißt Arabica. Er ist deutlich teurer, weil er intensiver gepflegt werden muss als der Kaffee, der in Tieflagen wächst. Wobei es in Brasilien inzwischen auch in flacheren Gegenden große Arabica-Plantagen gibt. Die werden oft mit Hilfe von Erntemaschinen bewirtschaftet. Hier liegt ein großer Unterschied zum Kaffee des fairen Handels: Unsere Lieferanten ernten von Januar bis März wöchentlich die Kaffeekirschen, die jeweils reif sind. Die Erntemaschine dagegen erntet ein Feld ab, wenn die meisten Kaffeekirschen reif sind. Alles andere rentiert sich nicht, zumal die Felder so angelegt sind, dass man da mit der Maschine durchfahren kann.
Tut das dem Kaffee eigentlich gut?
Für seine Qualität ist es eine Katastrophe.
Apropos: Wie hat sich die Kaffeequalität in den letzten Jahren entwickelt?
Negativ. Das hängt damit zusammen, dass der Kaffeepreis seit über zehn Jahren unterhalb der Marge vegetiert, die früher als Produktionsminimum galt. Mindestpreis waren früher 120 Dollar pro Sack, der Höchstpreis lag bei 180 Dollar. 1989 brach ja dann der Ostblock zusammen, und die Amerikaner waren nicht mehr daran interessiert, die lateinamerikanischen Kaffeebauern zu fördern: Der Kommunismus in Lateinamerika war für sie keine Bedrohung mehr, also haben sie postwendend aufgehört, die Kleinbauern zu unterstützen.
Die Mindestpreise waren also früher gesetzlich festgelegt?
Es gab ein zwischenstaatliches Abkommen, das von den USA dann nicht mehr verlängert wurde. Zuvor war es alle fünf Jahre erneuert worden. Danach fielen die Preise; seit 2002 haben wir eine dauerhafte Niedrigpreis-Phase.
Gibt es dafür weitere Gründe?
Ja. Derzeit herrscht ein Überangebot – sowohl aufgrund der Erntemaschinen als auch der Tatsache, dass Vietnam als Erzeugerland dazugekommen ist. Hierfür ist wiederum die Weltbank verantwortlich: Sie hat die Kaffeeproduktion in Vietnam sehr stark gefördert, sodass es inzwischen ein strukturelles Überangebot gibt. Und wenn der Weltmarkt außerdem dauerhaft zu geringe Preise zahlt, wird sich der Bauer nicht mehr um seine Plantage kümmern können. Er wird weiterhin ernten, aber nicht mehr investieren können.
Und der faire Handel will gegen diesen Zustand ansteuern.
Die Bedingungen des fairen Handels zeigen, dass sich die Qualität deutlich verbessern lässt, wenn man lange die Genossenschaften in Mexiko fördert. Hinzu kommt, dass die Bauern in Mexiko, die ja überwiegend indianischer Herkunft sind, generell schonend mit der Erde umgehen. Aber das reicht eben nicht. Angemessene Löhne sind unabdingbar, wenn die Bauern in ihre Plantagen investieren und die Qualität steigern wollen. Der faire Handel macht in Deutschland allerdings erst zwei Prozent des Kaffeehandels aus. Da ist noch viel zu tun.
Bramfelder Laterne, Berner Chaussee 58, ☎ 641 50 23, www.bramfelderlaterne.de