Ein Ticket nach Berlin für 18.000 Dollar

Eine vietnamesische Schleuserbande soll bis zu 50 Menschen nach Deutschland und ins europäische Ausland gebracht haben. Beim Prozessauftakt vor dem Landgericht schwiegen die Haupttäter, zwei Komplizen legten Geständnisse ab

Sieben Vietnamesen und ein Deutscher müssen sich seit Freitag vor dem Landgericht wegen des Vorwurfs der Schleusung und der Beihilfe zur Schleusung verantworten. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Angeklagten von Juni bis November 2005 ungefähr 50 Menschen mit chinesischer und vietnamesischer Staatsbürgerschaft auf illegalem Weg über Polen nach Berlin gebracht und sie teilweise weiter ins benachbarte Ausland verbracht haben. Die Geschleusten mussten dafür vermutlich Summen zwischen 6.000 und 18.000 US-Dollar bezahlen.

Den mutmaßlichen Haupttätern – drei vietnamesischen Männern im Alter von 36, 21 und 18 Jahren – wird vorgeworfen, den Menschenhandel organisiert und beauftragt zu haben. Sie sollen „gewerbsmäßig und als Mitglied einer Bande“ gehandelt haben. Zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen äußerten sie sich gestern nicht.

Der deutsche Angeklagte Ralph H. soll im Zeitraum von Juni bis September als Fahrer der Gruppe fungiert haben. Er legte ein umfassendes Geständnis ab. Er sei mit einem der mutmaßlichen Haupttäter in einem vietnamesischen Imbiss in Kontakt gekommen. Dieser habe ihn beauftragt, mit seinem Pkw Menschen ins benachbarte Ausland zu transportieren. Dreimal habe er solche Fahrten unternommen, insgesamt seien dabei acht chinesische Staatsbürger nach Mailand und drei weitere Personen nach Paris geschleust worden. Im Anschluss daran habe er in den jeweiligen Städten kurz „Urlaub“ gemacht. Zu Beginn einer vierten Fahrt war der 44-Jährige schließlich in Berlin in eine Polizeikontrolle geraten und mitsamt den Insassen seines Wagens, die keine gültigen Papiere bei sich hatten, festgenommen worden.

Als Gegenleistung für seine Fahrten habe er Benzingeld und für jede geschleuste Person 250 Euro erhalten, sagte der Angeklagte. Nach seinen Beweggründen gefragt, erklärte Ralph H., es habe ihm „Spaß gemacht“, mit Autofahrten Geld zu verdienen. Er soll nach Aussage des Gerichts zu nicht mehr als zwei Jahren auf Bewährung verurteilt werden.

Eine der drei angeklagten Frauen gestand ebenfalls. Die 54-Jährige hatte nach eigenen Angaben ihre Wohnung als Unterkunft zur Verfügung gestellt. Sie wurde zu einer Geldbuße von 500 Euro verurteilt, die an die gemeinnützige Organisation Ärzte für die Dritte Welt gespendet werden sollen. Das Verfahren gegen sie wurde eingestellt. Die übrigen Frauen waren in der Regel als Sprachvermittlerin tätig, begleiteten den Fahrer ins Ausland oder stellten ihre Wohnung als Unterkunft zur Verfügung.

Ein weiterer Angeklagter verweigerte zuerst die Aussage, gestand aber nach einem Gespräch mit seiner Anwältin. Er habe nichts mit dem Menschenhandel zu tun, erklärte der 29-jährige Vietnamese, allerdings habe er bei einem der mutmaßlichen Haupttäter Schulden gehabt. Dieser habe ihm daraufhin angeboten, sie abzuarbeiten, indem er seine Wohnung für „Bekannte aus der Provinz“ zur Verfügung stellte. Dass es sich bei diesen Bekannten in Wahrheit um illegal Eingereiste handelte, habe er nicht gewusst, aber vermutet. Die Verhandlung wurde am Freitag unterbrochen, sie wird am 8. September fortgesetzt. Den vermutlichen Haupttätern drohen Freiheitsstrafen von drei bis fünf Jahren. MARLENE WOLF