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Archiv-Artikel

Wohl fühlen im Westen

Als letzte Partei geht die CDU in die heiße Wahlkampfphase. Auf dem Breitscheidplatz vergewissern sich Spitzenkandidat und Kanzlerin, dass sie zumindest in Westteil der Stadt noch treue Wähler haben

VON MATTHIAS LOHRE

Hätte die CDU am Donnerstagabend lediglich ihren von Beobachtern schon verloren gegebenen Wahlkampf eingeläutet, wäre dieses Ereignis nicht sonderlich erwähnenswert. Aber die 21-Prozent-Partei offenbarte auf ihrer kleinen Bühne auf dem sonnigen Breitscheidplatz, was sie im Kern ist: die Wohlfühlpartei fürs so oft totgesagte „alte Westberlin“. Und das war recht unterhaltsam.

Zu Beginn treten mittelalte Männer in großen rot-orangen Karos auf, sie nennen sich „Cool Cats“ und versuchen, die paar hundert Wartenden in Stimmung zu bringen. Sie spielen „Tequila“ und müssen sich selbst stets die dem Publikum gestellte Frage beantworten: „Wie heißt das Getränk?“

Leutselig überbrückt dann CDU-Generalsekretär Frank Henkel das Warten auf Spitzenkandidat und Bundeskanzlerin: „Früher hätten wir gesagt: Kaiserwetter. Heute sagen wir ganz selbstbewusst: Kanzlerinnenwetter.“ Selbstbewusst ist auch die Antwort des Spandauer CDU-Bezirksbürgermeisters Konrad Birkholz auf Henkels Frage „Was zeichnet denn die Spandauer CDU aus?“. Birkholz: „Der gewisse gesunde deutsche Nationalstolz.“

Pflüger nähert sich bereits der Bühne, da darf auch Michael Braun dem Publikum seine Botschaft mitgeben. Im CDU-Schattenkabinett ist Braun für die Justiz zuständig und kritisiert erneut die zuständige Senatorin Karin Schubert. Die SPD-Politikerin lasse Sträflinge regelmäßig entkommen. Einer der beiden mutmaßlichen Kofferbomber, ruft es aus den viel zu lauten Lautsprechern, sei gerade nach Berlin überstellt worden. „Ich habe Sorge, dass der auch entkommt.“

Pünktlich um 18 Uhr ist es dann so weit. Schattenkabinett und „Cool Cats“ verstummen. Denn in einer schwarzen Limousine fährt die Bundeskanzlerin vor. So etwas wie Stimmung kommt unter den jetzt vielleicht eintausend Anwesenden auf, jeder will Merkel sehen.

Doch jetzt hat erst mal Pflüger das Wort, geschmückt mit einer CDU-orangen Krawatte. Hier, im wohlhabenden Charlottenburg-Wilmersdorf, redet er nicht vom Verständnis für andere Kulturen. Hier geht es ihm um „ABS – Arbeit, Bildung, Sicherheit“. Pflüger will den Fernbahnhof Zoo wieder öffnen, Industriebetriebe in die Stadt holen, die so genannte Einheitsschule verhindern und den Wegzug des Unternehmers Hans Wall aufhalten. Dazu kommen das stets wiederholte Schlagwort „Null Toleranz gegen Kriminalität“ und die Geschichte von der alten Dame, die sich wegen der Rauschgifthändler nach 40 Jahren nicht mehr in den Weinbergspark in Mitte traue. Das Thema Furcht zieht. Zwar ist man weit weg vom Weinbergspark, doch das ist kein Grund, keine Angst zu haben.

Den Gegnern des Moscheebaus in Heinersdorf widmet Pflüger deshalb eine Redepassage. Er lobt den Pankower CDU-Vorsitzenden René Stadtkewitz, dass er weitermacht mit seiner Kritik an der „muslimischen Sekte“. Selbst nach dem Brandanschlag auf dessen Haus, „übrigens an dem Tag, an dem meine Tochter geboren worden ist“.

Doch alles Menscheln bringt die CDU nicht aus dem Umfragetief. Das weiß auch die Bundeskanzlerin, die Pflüger am Rednerpult folgt. Trotzdem lobt sie wider besseres Wissen die Hauptstadt-Verbundenheit des Kandidaten: „Friedbert Pflüger hat schon immer von Berlin geschwärmt.“ Viele im Publikum werden sich noch an Pflügers Engagement gegen Berlin als neue Hauptstadt erinnern. Das war 1991, aber in Westberlin ist das keine lange Zeitspanne.

Auch Merkel kann den Berlinern keine Übernahme ihres 60 Milliarden Euro großen Schuldenbergs versprechen. Stattdessen lässt die Kanzlerin in ihrer Rede durchscheinen, was dem Land ein CDU-geführter Senat bringen könnte: mehr Zuwendung von Bund, Ländern und Unternehmern. „Betriebe ziehen sich zurück“, ruft Merkel. Schuld sei ein in Wirtschaftsfragen träger rot-roter Senat.

Es folgt ein Parforce-Ritt durch ungezählte Themen: vom Mauerfall über den Bau des Großflughafens in Schönefeld und Deutschkurse für Vorschulkinder bis hin zur „Antiterrordatei“ nach britischem Vorbild. Der Applaus bleibt zurückhaltend, die vereinzelten Buhrufe ebenfalls. Als Merkel nach einer halben Stunde zum Schluss kommt, ist es wie bei fast jeder Wahlkampfveranstaltung einer beliebigen Partei: Alle sind froh, dass es vorüber ist. Deshalb lacht auch niemand, als Merkels letzter Satz durch die noch immer überlauten Lautsprecher dringt: „Herzlichen Dank, dass wir heute miteinander sprechen konnten.“