: Die Wende von Chirac
Frankreich will nun doch zweitausend Soldaten für den Südlibanon stellen und so seinen Einfluss auf die Region sichern
AUS PARIS RUDOLF BALMER
Kneifen gilt nicht für einen Staatspräsidenten, der sich als Pate der Friedensbemühungen aufgespielt hat. Am Ende musste darum Jacques Chirac für seine eindringlichen Appelle zur Solidarität mit dem Libanon selbst den Tatbeweis erbringen. Frankreich wird nun doch bis zu 2.000 Blauhelmsoldaten stellen.
Was für eine Kehrtwende! Bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Kanzlerin Angela Merkel gestern Mittag in Paris stellte Jacques Chirac entschieden in Abrede, dass es in der französischen Position irgendeine „Kurskorrektur“ gegeben habe. Ganz freiwillig und spontan ist das französische Engagement im Libanon nicht. Der Druck auf die französische Führung war in den letzten Tagen immer größer geworden. Die Ankündigung aus Paris, dass vorerst nur gerade 200 zusätzliche Blauhelme zur Verstärkung der UNO-Truppen im Libanon (Unifil) zur Verfügung gestellt würden, hatte für die Friedensbemühungen der UNO wie eine kalte Dusche gewirkt.
Merkel und Chirac forderten gestern ausdrücklich ein Ende der israelischen Seeblockade. Sie vergrößere „nach den dramatischen Zerstörungen noch unnötig die Probleme“ für die Libanesen. Merkel meinte, der Beitrag der deutschen Marine zur Kontrolle des Waffenembargos werde es erlauben, die Blockade zu beenden. Chirac machte deutlich, dass die Unifil die in der UN-Resolution genannte Obergrenze von 15.000 Mann bei weitem nicht erreichen wird. Im kleinen Südlibanon würden sich 15.000 Blauhelme und 15.000 libanesische Soldaten „auf die Füße treten“.
Die Blauhelme sollen sich mit relativ beschränkten Mitteln an der Seite der libanesischen Armee zwischen die Hisbollah-Milizen, die höchst verärgerten Syrer und die Israelis stellen. Das ist eine riskante Aufgabe mit mehreren Unbekannten. Er habe die Klärung zum Waffengebrauch im Notfall und die gewünschten Garantien bezüglich der Sicherheit von allen Parteien erhalten, versicherte Chirac gestern. Mit dieser Zusicherung müssen sich seine Militärs begnügen, welche die Schwierigkeiten der Schiedsrichterrolle aus den Erfahrungen in Bosnien, Kosovo und vor allem im Libanon kennen und ausdrücklich ihre Bedenken anmeldeten. Seit General de Gaulle gilt jedoch: „Die Intendanz muss folgen“, dass heißt, das Militär muss Chiracs Weltpolitik ausbaden.
Seit Jahren wurde Frankreichs traditioneller Einfluss im Nahen Osten durch die Vormachtstellung der USA geschmälert. Paris hat sukzessive seine traditionellen Verbündeten verloren: Saddam Hussein im Irak, Assad in Syrien, Palästinenserführer Arafat und Rafik Hariri im Libanon. Im neuen Konflikt erkannte Chirac die Chance, an der Seite der USA und nicht in Widerspruch zur Bush-Administration wieder eine Hauptrolle in der Region spielen zu können.