Die Kandidatin zweiter Wahl

Das ist eine, die das laute Pfeifen im Wald gelernt hat. Andrea Ypsilanti (49) war 2003, als sie den Parteivorsitz der zerstrittenen und demoralisierten hessischen SPD nach der grandiosen Wahlniederlage gegen die CDU übernahm, sicher nicht die Traumkandidatin ihrer Partei: „Frau Wer?“ Es fand sich damals dennoch niemand sonst. Die Frankfurter Soziologin profilierte sich kaum, wurde 2004 aber mit nur knappen 69,3 Prozent wiedergewählt.

Sie bleibt zweite Wahl, wenn sie nun zur Landtagswahl 2008 als Herausforderin gegen Ministerpräsident Roland Koch antritt. Die Parteimehrheit hatte auf den ehemaligen Offenbacher OB Gerhard Grandke gesetzt, der wegen seiner rigorosen Sparpolitik bundesweit bekannt geworden war und sich dann aus der Politik in die freie Wirtschaft verabschiedete. Er hatte der SPD am Donnerstag einen Korb gegeben. Ypsilanti meldete sich prompt.

Andrea Ypsilanti, Erkennungszeichen lange braune Haare, manchmal glatt frisiert, manchmal zerzaust, als müsste sie sich die Mähne täglich raufen, knallroter Lippenstift, schicke Brillen, ist auf Sturm gebürstet. Ihr schnelles Vorpreschen, in einem Brief an die Mitglieder eher sachlich und als Notwendigkeit denn als Passion vorgetragen, hat den parteiinternen Machtkampf neu angeheizt. Der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Jürgen Walter, wertete sie zwar als „mutig“ und respektheischend, schloss aber für den Landesparteitag im November eine Kampfkandidatur gegen Ypsilanti für sich selbst oder aber schwergewichtigere Kandidaten „aus der Bundespartei“ nicht mehr aus.

Ypsilanti, 1957 als Kind einer Arbeiterfamilie in Rüsselsheim geboren, gilt als Parteilinke. Sie arbeitete nach dem Abitur als Sekretärin und Stewardess, studierte in Madrid Spanisch, dann in Frankfurt Soziologie, Politik und Pädagogik. Sie lebt mit ihrem Freund, dem elfjährigen Sohn und einem befreundeten Paar und dessen zwei Kindern in einer WG im ländlichen Frankfurter Stadtteil Nieder-Erlenbach. 1986 trat sie in die SPD ein, wurde Juso-Vorsitzende, dann Landtagsabgeordnete. Auch Parteigenossen finden sie manchmal „zu munter“, zu oberflächlich. Sie selbst beschreibt sich als lebensbejahend, frankophil und den „farbenfrohen und unbekümmerten“ Frauenfiguren der Bildhauerin Niki de Saint Phalle zugeneigt. Die FDP nennt sie „Sozialistin“, sie selbst will ein „eindeutig sozialdemokratisches“ Wahlkampfprogramm, die Studiengebühren wieder abschaffen und ein kostenloses Kindergartenjahr. Roland Koch mache Fehler und sei „schlagbar“. Der reagierte weniger spöttisch als FDP und Grüne: Politik sei wechselhaft und es gebe keinen Grund, „hochmütig“ zu werden. HEIDE PLATEN