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Archiv-Artikel

G-8-Gipfel vor „reizvoller Kulisse“

PROTESTE In 16 Monaten treffen sich die Vertreter der größten Industrienationen wieder zum G-8-Gipfel in Deutschland. Noch lässt die Gegenmobilisierung auf sich warten. Aber das wird sich wohl ändern

BERLIN taz | Der G-8-Gipfel in Heiligendamm 2007 war für die deutsche Linke das größte Spektakel ihrer jüngeren Geschichte. Nächstes Jahr kommt der Gipfel wieder nach Deutschland. Die Mobilisierung gegen das Event kommt aber nur langsam in Fahrt. Es gebe erste Gespräche, heißt es aus Kreisen der Interventionistischen Linken. Noch sei es zu früh, um über Mobilisierung zu sprechen.

Am 4. und 5. Juni 2015 treffen sich die Staats- und Regierungschefs der acht größten Industrienationen auf Schloss Elmau, einem Fünf-Sterne-Hotel in den bayerischen Alpen. Dort finden die Gipfelteilnehmer die Abgeschiedenheit, nach der sie sich sehnen: eine Straße, keine Häuser, nur Wald und Berge. Eine „reizvolle Kulisse“, heißt es im bisher einzigen Aufruf auf indymedia.org. Davon habe man sich „bei einem ersten Probewandern in der Umgebung des Schlosses“ überzeugt, schreibt ein Revolutionäres Bündnis namens [3A] . „Ein Wiederkommen im nächsten Jahr mit Sturm auf den Gipfel wird sich sicher lohnen.“

Dass sich die Mobilisierung 16 Monate vor dem Gipfel noch auf einen Eintrag beschränkt, zeigt, dass der G-8-Protest nicht die Dynamik hat wie 2007. Zwei Jahre vor Heiligendamm war die deutsche Linke bereits elektrisiert: Im Oktober 2005 setzten Autonome ein Gästehaus des Auswärtigen Amts in Berlin in Brand – im Bekennerschreiben wurde auf den Gipfel verwiesen. Die Bundesanwaltschaft zählte seit Anfang 2005 zwölf Anschläge mit Bezug auf Heiligendamm. Zudem luden linke Gruppen mehr als ein Jahr vor dem Gipfel zu Vorbereitungstreffen, Mobilisierungsvideos schwirrten durchs Netz.

„Die G 8 funktionieren einfach nicht mehr als die Weltregierung wie früher“, sagt Frauke Diestelrath von den Globalisierungskritikern Attac. „Damit bricht ein Symbol weg.“ Welche Form die Proteste haben könnten, sei noch unklar. „Aber ein zweites Heiligendamm wird es sicher nicht.“

Die Sicherheitsbehörden wollen offiziell keine Entwarnung geben. Beim Bundesamt für Verfassungsschutz heißt es, für eine Bewertung der Lage sei es noch zu früh. Der Bayerische Verfassungsschutz teilt auf taz-Anfrage mit: „Bisher sind uns noch keine militanten Kampagnen bzw. Straftaten gegen den G-8-Gipfel 2015 bekannt.“

Auch wenn die militante Szene G 8 derzeit ignoriert, hält Malte Fiedler von der Linksjugend Solid nichts davon, die Proteste für tot zu erklären: „Das kann jederzeit wieder hochkochen, je nachdem, welche Themen auf dem Gipfel verhandelt werden.“ Dass es noch kein Bündnis gibt, könnte ein Zeichen der Souveränität sein. „Seit 2007 arbeiten dieselben Leute kontinuierlich zusammen, deshalb brauchen wir diesmal keine zwei Jahre Vorlaufzeit.“ FERDINAND OTTO