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Archiv-Artikel

IT-Branche mag Betriebsräte nicht

Höchstens 25 Prozent der Betriebe haben eine Arbeitnehmervertretung. Auch im Kommunikationsunternehmen AVM in Berlin wird es vorerst wohl keinen Betriebsrat geben. Die Firmenleitungen machen Druck auf die Belegschaften

BERLIN taz ■ Das Berliner Kommunikationsunternehmen AVM hat offenbar die Gründung eines Betriebsrates verhindert. Die Geschäftsleitung habe die Belegschaft erpresst, hieß es am Freitag auf einer Mitarbeiterversammlung der RSS Rat, Service und Support GmbH.

Dass die Mitarbeiter überhaupt auf einer Betriebsversammlung der neugegründeten RSS zusammenkamen und nicht auf einer Versammlung ihres ursprünglichen Arbeitgebers, der AVM Computersysteme Vertriebs GmbH, war möglicherweise schon Folge der Auseinandersetzung um die Gründung einer Arbeitnehmervertretung. Die hundertprozentige Tochterfirma RSS ging erst vor zwei Wochen aus einer von AVM ausgegliederten Abteilung hervor. Die meisten Beschäftigten wollen nun von weiteren Bemühungen für die Einsetzung eines Betriebsrats absehen. Sie befürchten, dass der neuen Firma von AVM anderenfalls die Aufträge entzogen werden. AVM beschäftigt bundesweit fast 500 Mitarbeiter, in Berlin sind es etwa 400 – mehr als 160 davon arbeiten für die neue Tochter.

„Wir möchten nicht riskieren, dass wegen unseren Bemühungen 160 Kollegen auf der Straße landen“, teilte die Betriebsratsinitiative mit, deren Mitstreiter auch weiterhin anonym bleiben wollen. „Alle hier gehen davon aus, dass sie die Ersten sind, die rausfliegen werden“, sagte Anton Mayer. Der Student arbeitet seit mehreren Jahren bei AVM, zuletzt in der Abteilung Support.

Nachdem seine Abteilung von der Firmenleitung verdächtigt worden sei, einen Betriebsrat ins Leben rufen zu wollen, habe Geschäftsführer Johannes Nill am 10. August die Kollegen darüber informiert, dass die bisherige Tätigkeit des Bereichs Support auf die Firma RSS übertragen wird. „Wir wurden ausgegliedert, um deutlich zu machen, dass die Firmenleitung keine Mühe scheut, einen Betriebsrat zu verhindern“, sagte Mayer. Ein AVM-Sprecher weist die Vorwürfe zurück. Man habe nicht, wie Mitarbeiter behaupten, einen Betriebsrat verhindern wollen.

Auffällig ist, dass die IG Metall kurz vor der Ausgliederung erfolglos versuchte, mit der Firmenleitung wegen Betriebsratswahlen ins Gespräch zu kommen. Erst im Juni hatte die Gewerkschaft beim Softwareriesen SAP – dem letzten der 30 DAX-Konzerne ohne Betriebsrat – eine Arbeitnehmervertretung durchgesetzt: Laut Betriebsverfassungsgesetz ist in Unternehmen mit mehr als 5 Festangestellten ein Betriebsrat vorgesehen. Gewerkschafter gehen davon aus, dass es in höchstens 25 Prozent aller IT-Firmen einen Betriebsrat gibt.

Geschlagen geben will sich die Gewerkschaft bei AVM aber nicht. „Immerhin diskutiert die Belegschaft jetzt über andere Formen der Mitbestimmung“, erklärte Petra Jentzsch von der IG Metall. Denkbar sei etwa eine freiwillige Mitarbeitervertretung. Selbst die Geschäftsführung signalisierte schon Zustimmung. Der Haken für die Belegschaft ist offenkundig: Die Befugnisse dieses Gremiums sind beschränkt, rechtliche Garantien, wie sie für einen Betriebsrat gelten, gibt es nicht. AVM stellt vor allem DSL- und ISDN-Modems her, unter der Marke Fritz!Box vertreibt die Firma erfolgreich Geräte zur Verbindung von Netzwerken. Das Unternehmen erzielte 2005 einen Umsatz von 200 Millionen Euro.

HANNES HEINE