piwik no script img

Archiv-Artikel

Koalition will Platz an der Tonne

SCHERBEN Der Entsorger DSD hat vielen Haushalten die Glastonne weggenommen. Dagegen soll der Senat etwas unternehmen, fordern die Fraktionen von SPD und CDU

„SPD und CDU sind zur Vernunft gekommen“

SILKE GEBEL, UMWELTPOLITISCHE SPRECHERIN DER GRÜNEN-FRAKTION

VON CLAUDIUS PRÖSSER

Die Altglas-Misere im Berliner Osten soll ein Ende haben: Die Fraktionen von SPD und CDU fordern den Senat auf, den Abzug von Glastonnen aus Hinterhöfen rückgängig zu machen. Mit ihrer gemeinsamen Beschlussvorlage an das Abgeordnetenhaus wenden sich die Koalitionäre direkt gegen die SPD-geführte Senatsumweltverwaltung.

Zum Jahreswechsel waren in Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick über die Hälfte der Glastonnen – rund 7.500 Stück – aus Höfen entfernt worden. Die Anwohner sollen Weinflaschen und Gurkengläser nun in die öffentlichen Altglas-„Iglus“ werfen. Daraufhin hagelte es Protest.

Laut dem rot-schwarzen Antrag soll der Senat nun das Duale System Deutschland (DSD) drängen, „dass die seit Jahrzehnten bewährte Berliner haushaltsnahe Altglassammlung (Holsystem) erhalten“ wird. Für die entfernten Tonnen sei „kurzfristig die Wiederaufstellung zu erreichen“. Ein Ausbau des Bringsystems – also der Iglus – sei hingegen „nicht zu tolerieren“. Die Antragsteller gehen noch weiter: Komme der Verpackungs-Entsorger DSD seinen Pflichten nicht nach, sei zu prüfen, ob das Altglas über ein „alternatives kommunales System“ im Auftrag des Landes gesammelt werde. Es klingt wie eine Drohung.

Ursache des Konflikts ist die schlechte Qualität des Berliner Scherben-Mixes: Recyclingfirmen beklagen seit langem, dass ihnen das DSD mit Fremdstoffen durchsetztes, zu stark zersplittertes Material liefere. Während das laut dem Dualen System beim „Holsystem“ unvermeidlich ist, halten unabhängige Gutachter dagegen, der Entsorger könne die Qualität mit zumutbarem Aufwand verbessern, etwa durch Aufstellung von Tonnen für Braunglas oder veränderte Transportbedingungen.

Bei einer Anhörung vor dem Umweltausschuss im Januar war deutlich geworden, dass der Tonnen-Exodus auf die Kappe von Umweltstaatssekretär Christian Gaebler ging. Er hatte im Rahmen einer „Arbeitsgruppe Glas“ einem Modellversuch in den drei östlichen Bezirken zugestimmt.

Die Chancen, dass der Antrag die Unterstützung der Opposition erhält, stehen nicht schlecht. Silke Gebel (Grüne) begrüßte am Montag, SPD und CDU seien „zur Vernunft gekommen“. Allerdings kritisierte sie die „geheim tagende AG Glas von Senat und Dualem System“, die das Tonnen-Aus vereinbart hatte. Eine Kleine Anfrage der Grünen, was es mit dieser AG auf sich habe, hat der Senat bislang nicht beantwortet. Sollte sie bis kommende Woche nichts erfahren, so Gebel, werde sie Akteneinsicht beantragen.

Bleibt abzuwarten, wie der Senat auf den Druck reagiert. Daniel Buchholz, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, schraubte die Erwartungen bereits herunter: „Dass die Tonnen übermorgen wieder aufgestellt werden, können wir nicht versprechen.“ Und aus der Umweltverwaltung selbst kommen verhaltene Signale: Sprecherin Daniela Augenstein verwies darauf, dass die Altglasentsorgung privat durchgeführt werde. Seinen politischen Einfluss habe der Senat bereits geltend gemacht, indem er auf einen Modellversuch im begrenzten Umfang hinwirkte. „Diese Vereinbarung ist jetzt erst einmal so aufgeschrieben.“