: Die Europäische Union zerfällt in Tauben und Falken
EU Außenminister sind sich über Sanktionen gegen Russland nicht einig. Die USA setzen auf eine harte Bestrafung von Putin
BRÜSSEL/WASHINGTON taz | Die Ukraine hält die diplomatische Welt in Atem. Bei ihrem Treffen vor zehn Tagen in Brüssel sprachen die EU-Außenminister noch über Sanktionen gegen das alte Regime in der Ukraine. Gestern nun ging es um Sanktionen gegen Russland. Die Strafmaßnahmen verfolgen das Ziel, Präsident Putin zu einer „politischen Lösung“ der Krise um die Krim und die Ukraine zu bewegen.
Doch wie diese Lösung aussehen könnte, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Einig war man sich gestern nur, dass man unbedingt einig auftreten und „mit einer Stimme sprechen“ müsse, wie es Frankreichs Außenminister Laurent Fabius ausdrückte. Doch ähnlich wie im Irakkrieg zerfällt die EU auch diesmal wieder in „alte“ und „neue“ Europäer, sprich Tauben und Falken.
Zu den Falken, die harte Sanktionen fordern, gehören Polen, Großbritannien und Schweden. Auch die baltischen Staaten und Irland suchen den Schulterschluss mit den USA. „Russland muss dafür bezahlen, falls es diesen Weg weitergeht“, sagte der britische Europaminister David Lidington. Der schwedische Außenminister Carl Bildt sagte, eine politische Lösung des Konflikts sei nur „auf der Grundlage eines Rückzugs der russischen Truppen möglich“ – doch genau danach sah es gestern nicht aus.
Demgegenüber sind Deutschland, Frankreich, Belgien und Luxemburg gegen sofortige Sanktionen. „Krisendiplomatie ist keine Schwäche, sondern wird jetzt notwendiger denn je sein, um in den Abgrund hin zu einer militärischen Eskalation nicht hineinzugeraten“, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Er plädierte für eine Beobachtermission und für eine internationale Kontaktgruppe.
Als Kompromiss einigte man sich auf „Sanktionen light“: Die EU droht damit, sie könnte den Dialog mit Russland über eine visafreie Einreise auf Eis legen. Auch könnten Verhandlungen über ein neues Kooperationsabkommen ausgesetzt werden.
Die US-Regierung arbeitet unterdessen an einer strengen internationalen Isolierung Russlands. Präsident Barack Obama und sein Außenminister Kerry haben sich die Unterstützung der Vereinten Nationen, der Nato, der EU und der G-8-Gruppe geholt. Letztere heißt in Washington neuerdings wieder „G-7-Gruppe“. Die Gespräche mit Russland, dem achten Mitglied, haben die übrigen Klubmitglieder – die USA, Großbritannien, Kanada, Japan, Frankreich, Deutschland und Italien – aus Protest suspendiert. Ihre Teilnahme an dem im Juni in Sotschi geplanten G-8-Gipfel machen sie von der Entwicklung der Krise in der Ukraine abhängig.
Außenminister John Kerry sagte, seine Regierung werde sich zunächst darauf konzentrieren, Moskau ökonomisch, politisch und diplomatisch in die Enge zu treiben. Unter anderem erörterte Kerry das Einfrieren von russischen Vermögen im Ausland, die Unterbrechung von wirtschaftlicher Kooperation und den Abbruch von Handelskontakten. Am Dienstag will er persönlich in Kiew einfliegen, um der dortigen Übergangsregierung und dem Parlament die Unterstützung der USA zuzusagen. ERIC BONSE, DOROTHEA HAHN