: Caspar gegen Googliath
TAZ-SERIE Weil Facebook und Google in Hamburg sitzen, ist Datenschützer Johannes Caspar zum Aufseher der Internetkonzerne geworden. Ein Kampf, den er mit Leidenschaft führt
VON ILKA KREUTZTRÄGER
Johannes Caspars Büro liegt mitten in der Hamburger Innenstadt, gleich neben dem Hauptbahnhof. Nur einen kurzen Fußmarsch braucht es von hier die Einkaufsstraße runter, über den Jungfernstieg bis zu Googles Deutschlandsitz. Kaum zehn Minuten sitzt der Weltkonzern von seinem größten Widersacher entfernt.
Der Fahrstuhl fährt in den 5. Stock des grauen Kastenbaus, wo der Hamburger Datenschutzbeauftragte Caspar mit freundlichem Händedruck begrüßt und in einen Besprechungsraum bittet. In seinem Büro sei es gerade etwas chaotisch. Die Arbeit stapelt sich.
Ursprünglich hatte sich der Jurist Caspar mal mit dem Tierschutz als Grundrecht befasst. Im Mai 2009 wurde er Datenschutzbeauftragter. Dass er damit auch zum obersten Google-Aufseher wurde, ist Zufall. Da der Internetriese seinen Deutschlandsitz in Hamburg hat, war er zuständig, dasselbe gilt für Facebook. Und auch hier geht Caspar nicht zimperlich vor, wenn er den Datenschutz bedroht sieht. Im Juli leitete er ein Bußgeldverfahren gegen das soziale Netzwerk ein. In den Wochen danach gab es aber nur noch ein Thema: den Straßenbilderdienst „Street View“ von Google. „Man konnte den Eindruck gewinnen, wir hätten gar nichts anderes mehr auf der Agenda“, sagt Caspar.
Der Aufschrei war groß, als Google Anfang August ankündigte, noch in diesem Jahr die Ansichten der Straßen und Häuser von 20 deutschen Städten ins Netz zu stellen. Nun kann noch bis zum 15. Oktober jeder, der seine Fassade nicht bei Google sehen will, Widerspruch erheben. Die Möglichkeit, noch vor dem Start ein Veto einzulegen, hat Google in anderen Ländern nicht eingeräumt. Ein Erfolg, der Caspar gebührt. Er hatte dem Konzern in langen Gesprächen einen ganzen Katalog an Zusagen abgerungen, noch bevor das Thema im Sommer hochkochte.
„Die Politik hat die Brisanz und das grundsätzliche Problem nicht erkannt“, sagt Caspar. „Ich hatte aber dennoch nicht erwartet, dass die öffentliche Kritik so laut ausfallen würde.“ Fiel sie aber, und der 48-Jährige war mittendrin im Kampf David gegen Goliath. Hier ein Riesenkonzern mit einem Jahresumsatz von rund 24 Milliarden Dollar, dort eine Minibehörde mit noch nicht mal 20 Mitarbeitern.
Caspar passt in diese Rolle, auch weil er es grundsätzlich mag. So sagt er: „Eine humane Gesellschaft, die den technischen Fortschritt nicht als Selbstzweck definiert, muss sich fragen lassen: Wie schützen wir uns vor den technokratischen Visionen einer digitalen Gesellschaft, in der der Einzelne als Datenlieferant der Internetkonzerne sogar zur Namensänderung gezwungen sein könnte, um sich von seinen digitalen Tätowierungen im Internet zu befreien?“
Bei Google Deutschland will man von einem Zwist mit Caspar nichts wissen. Man vertrete unterschiedliche Positionen für unterschiedliche Auftraggeber und Caspar sei ein guter und offener Verhandlungspartner, sagt ein Sprecher. Das sei alles. Bei Caspar klingt das so: „Es ist schwer, mit Google Standards des Datenschutzes auszuhandeln.“ Oder so: „Wir können nur darauf hoffen, dass Google das alles umsetzt.“ Oder so: „Wir haben wenig in der Hand, wenn Google sich nicht an die Zusagen hält.“
Denn genau wie David ohne Rüstung loszog, fehlen Caspar bisher verlässliche Strukturen durch den Gesetzgeber. So ist noch nicht geklärt, ob das Scannen von WLAN-Netzen während der Fahrten mit den Street-View-Wagen zulässig ist. Und für das angeblich versehentliche Erfassen privater Datenschnipsel, sogenannter Payload-Daten, musste Google sich bloß entschuldigen. Nicht gerade ein glorreicher Sieg. Aber irgendwie vermittelt Caspar den Eindruck, er werde am Ende doch als Gewinner vom Platz gehen.