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Archiv-Artikel

Bahn wird vom Gleis abgekoppelt

Regierung und Koalition sind sich einig: Die Deutsche Bahn wird nun doch ohne Schienen privatisiert. Allerdings soll sie diese betreiben. Ein echter Wettbewerb ist deshalb nicht zu erwarten

VON ANNETTE JENSEN UND HANNA GERSMANN

Auf den ersten Blick hat Bahnchef Hartmut Mehdorn gestern eine Niederlage erlitten: Die Schienen sollen beim Börsengang der DB nicht mit verkauft werden. Das haben Vertreter der Koalitionsfraktionen und der Regierung gestern beschlossen.

Der DB-Chef hatte stets dafür gekämpft, dass Bahnhöfe und Schienen weiterhin dem Konzern gehören. Auch Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) hat stets diese Variante favorisiert. Er glaubt, so mehr Geld einzunehmen. Doch der integrierte Börsengang scheint nun vom Tisch – auch wenn Mehdorn gestern in einem Brief an seine Mitarbeiter versicherte, es sei nichts entschieden und eine Trennung von „Netz und Transport“ stehe keineswegs fest.

„Der integrierte Börsengang kommt nun nicht mehr in Frage“, sagte dagegen der SPD-Verkehrsexperte Uwe Beckmeyer der taz. „Der Bund wird das Netz nicht verkaufen.“ Die SPD wolle sich nämlich „nicht vorwerfen lassen, die vom Staat finanzierte Infrastruktur zu verschleudern“.

Das bedeutet allerdings nicht, dass die DB ihr De-facto-Monopol wird aufgeben müssen – und Konkurrenten eine echte Chance auf der Schiene bekommen. Denn: Eine klare Trennung von Netz und Betrieb, so wie es Verkehrsexperten unisono bei einer Anhörung im Bundestag als verkehrspolitisch und juristisch sinnvollste Lösung dargestellt hatten, wird es auf keinen Fall geben.

Im Gespräch sind nun nämlich im Wesentlichen zwei Organisationsmodelle. Erstens: Die DB pachtet das Netz und erhält einen Bewirtschaftungsvertrag. Oder zweitens: Sie bekommt einen so genannten Nießbrauch, kann sich also für einen bestimmten Zeitraum als Besitzer sehen. Dann müsste sie noch nicht einmal Rechenschaft darüber ablegen, wo sie wie viel Geld investiert. So bleibt der Bahnkonzern immer Verwalter von Bahnhöfen und Trassen. SPD-Experte Beckmeyer erklärt: „Mit dieser Lösung wollen wir die Bahn-Arbeitsplätze sichern.“

Mehdorn versuchte gestern noch einmal, Einfluss zu nehmen auf Regierung und Parlamentarier. Kurz vor der Sitzung tauchte in der Öffentlichkeit ein Papier der US-Investmentbank Morgan Stanley auf, die der DB schon mehrere Gefälligkeitsgutachten geschrieben hatte. Darin behaupten die Banker, dass jede DB-Privatisierung, die vom Mehdorn-Modell abweiche, ungünstig sei – auch das Nießbrauchmodell. Außerdem könne das Finanzministerium dann erst nach 18-monatiger Verspätung mit Einnahmen rechnen.

„Es ist gut, dass das Netz nicht an Investoren geht“, urteilt Daniel Kluge vom Verkehrsclub Deutschland. Allerdings fürchtet er, dass die Bahn ihre verbleibende Hoheit über die Schiene ausnutzt – „und Wettbewerber keine Chancen bekommen“.

Laut Beckmeyer soll eine Regulierungsbehörde darüber wachen, dass private Unternehmen wie Connex nicht diskriminiert werden. Die Bundesregierung wird nun ein Spezialprivatisierungsgesetz erarbeiten. Ende September soll der Entwurf in den Bundestag gehen.