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Archiv-Artikel

„Herausforderung ist ungelöst“

Der Energiekonzern RWE hat angekündigt, ein Kohlendioxid-freies Kohlekraftwerk zu bauen. Anlagenspezialist Gerd Oeljeklaus glaubt nicht an die saubere Verbrennung. Vor allem die Speicherung des Gases sei ökologisch und wirtschaftlich problematisch

INTERVIEW: MORITZ SCHRÖDER

taz: RWE hat ein CO2-freies Kraftwerk versprochen. Ist das realistisch?

Gerd Oeljeklaus: Sie dürfen die Formulierung „CO2-frei“ nicht so ernst nehmen. Auch bei diesen Planungen würden immer noch etwa zehn Prozent von dem Gas emittiert. Es reicht nicht, das Kohlendioxid im Kraftwerk einfach zurückzuhalten, sondern es muss auch weggebracht werden. Schließlich werden mit jeder verbrannten Tonne Kohle etwa drei Tonnen CO2 erzeugt. Das ist eine enorme Herausforderung, die bis heute noch nicht gelöst ist, weder ökonomisch noch ökologisch.

Wie kann der CO2-Ausstoß gesenkt werden?

Es gibt drei mögliche Verfahren. Bei der ersten Methode wird Kohle mit Sauerstoff zu reinem Kohlendioxid verbrannt. Das muss verflüssigt und irgendwo von der Atmosphäre ferngehalten, also gespeichert werden. Das kostet allerdings viel Energie. Außerdem wird eine Rauchgaswäsche entwickelt, die in die Kraftwerke als Filter eingebaut werden kann. Auch das ist sehr aufwändig und würde den Wirkungsgrad, also die Energieausbeute drastisch senken. Das dritte, so genannte IGCC-Verfahren, verfolgt momentan RWE. Das CO2 kann dabei vor der Verbrennung abgetrennt werden. Bei dieser Methode wird am wenigsten Kohle verbraucht und der Wirkungsgrad ist mit 40 Prozent recht hoch.

Wenn die Verfahren so aufwändig sind, warum steigen die Betreiber dann nicht auf umweltschonendere Energieträger um?

Da sind die Potenziale begrenzt. Die Wasserkraftwerke sind schon lange ausgebaut. Bei der Windenergie wird momentan auf die Off-Shore-Anlagen auf See gesetzt. Damit haben wir aber noch keine Erfahrungen.

Wie viel CO2 stoßen heutige Kohlekraftwerke aus?

Das kommt darauf an, ob Braunkohle oder Steinkohle verbrannt wird. Bei modernen Steinkohlekraftwerken mit einem Wirkungsgrad von 45 Prozent werden etwa 740 Gramm CO2 pro Kilowattstunde erzeugt. Die Braunkohle liegt mit 43 Prozent Wirkungsgrad bei rund 950 Gramm.

Auf was für eine Menge kommen andere Energieträger?

Gaskraftwerke etwa verwenden effiziente Gas-Dampf-Turbinen. Diese so genannten Gud-Kraftwerke haben 58 Prozent Wirkungsgrad. Weil Erdgas außerdem weniger Kohlenstoff enthält, werden nur rund 340 Gramm CO2 ausgestoßen.

Wie viel Energie würden die Kohlekraftwerke durch Filter einbüßen?

Der Wirkungsgrad wird bei allen Verfahren gesenkt. Bei heutigen Kraftwerken muss von einer Einbuße von mindestens zehn bis zwölf Prozent ausgegangen werden, die notwendige Verdichtung und Verflüssigung des Kohlendioxids nicht eingerechnet.

Was könnte mit dem gespeicherten Gas geschehen?

Es gibt viele offene Fragen, wie die Lagerung von Kohlendioxid genehmigt und wo es gespeichert werden kann. Mögliche Orte wären etwa die Tiefsee, ausgebeutete Erdöllagerstätten oder alte Kohlezechen. Laut einer aktuellen Studie ist da in NRW allerdings nicht viel zu holen.

Wie lange wird es in Deutschland noch Kohlekraftwerke geben?

Vermutlich noch einige Jahrzehnte. Momentan werden viele veraltete Anlagen erneuert. Von Jahr zu Jahr nehmen die genehmigten CO2-Emissionen ab. Daher entwickeln die Betreiber Methoden, um die Kraftwerke später auch nochmal nachrüsten zu können.