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Archiv-Artikel

Hamburgs neuer Kultursenator„Palavern, bis alle einig sind“

Nach drei Wochen im Amt kommt Reinhard Stuth schon der Schauspielhaus-Intendant abhanden. Sparen will er trotzdemHamburgs neuer Kultursenator ist keiner, der alles anders machen will als seine Vorgängerin. Ob er sich bei den bevorstehenden Sparklausuren wirksam als Lobbyist für die Kultur profilieren kann, ist allerdings offen

Reinhard Stuth, 53

■ ist Jurist und Afrikanist und war unter anderem Kommissar der EU, stellvertretender Referatsleiter der Außenpolitischen Abteilung des Bundeskanzleramts und Berater für Europapolitik der CDU-Fraktion. Von Mai 2008 bis März 2009 war Stuth (CDU) unter Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) Staatsrat in der Kulturbehörde, bis er vom Ersten Bürgermeister Ole von Beust (CDU) kurzfristig in den Ruhestand versetzt wurde. Grund waren Differenzen mit der Kultursenatorin: Stuth hatte geäußert, er wolle die Elbphilharmonie-Akten der Opposition zugänglich machen. Seither war Stuth unter anderem im Aufsichtsrat der Elbphilharmonie Bau GmbH und der Hamburg Tourismus GmbH.

INTERVIEW PETRA SCHELLEN

taz: Herr Stuth, welche Entscheidungen Ihrer Ex-Chefin werden Sie revidieren?

Reinhard Stuth: Ich setze auf Kontinuität, weil mir bewusst ist, dass meine Vorgängerin viele Entscheidungen sehr umsichtig und kenntnisreich vorbereitet hat. Da muss ich gar nicht umsteuern. Mir ist es wichtiger, bestehende Institutionen zu stärken, als neue zu gründen.

Wie werden Sie mit Hamburgs Subkultur umgehen – etwa mit dem Fehlen preisgünstiger Ateliers?

Vor allem mit Hilfe der Kreativ GmbH, die zwischen Künstlern und möglichen Vermietern vermittelt und sich darum bemüht, dass Künstler Immobilien vorübergehend oder dauerhaft nutzen können. Darüber hinaus gibt es auch andere Wege, die Subkultur zu fördern – die Label- und die Clubförderung etwa.

Und wie wollen Sie das strukturelle Defizit der Kunsthalle, das zur zeitweiligen Schließung der Galerie der Gegenwart führte, beseitigen?

Hier ist die Leitung der Kunsthalle gefordert. Sie stellt in den Aufsichtsgremien den Wirtschaftsplan vor und ist dafür verantwortlich, dass er auch eingehalten wird.

Aber ein strukturelles Defizit zeugt ja von einer grundlegenden Unterfinanzierung.

Die von Frau von Welck einberufene Expertenkommission hat in ihrem Ende 2009 vorgelegten Bericht aufgezeigt, dass es kein strukturelles Defizit gibt. Das kann ich derzeit noch nicht abschließend bewerten. Richtig ist trotzdem, dass die Mittel nicht ausreichen, um genug bedeutende Sonderausstellungen zu bieten. Aber hier schafft ja der Sonderfonds erste Abhilfe, der zwei Millionen Euro umfasst. Ich wünsche mir natürlich, dass es noch mehr Geld gäbe. Aber wir können uns hierbei nicht von der allgemeinen Haushaltssituation abkoppeln.

Wie wollen Sie die vier stadthistorischen Museen neu sortieren?

Ziel der Umgestaltung sind für mich nicht in erster Linie Einsparungen. Mir kommt es darauf an, Dinge so zusammenzuführen, dass sie wie aus einem Guss kommen. Das kann Sammlungen, Werkstätten, Öffentlichkeitsarbeit und Depots betreffen. Wenn wir sie zusammen führen, wird das die Museen stärken.

Hamburgs Finanzsenator fordert, dass Sie 2,4 Prozent Ihres Etats einsparen. Wo sparen Sie?

Wenn man sparen muss, gibt es dafür immer zwei Wege: Entweder man legt die Quote auf alle bestehenden Einrichtungen um. Oder man ist der Auffassung, dass die Einrichtungen schon so unterfinanziert sind, dass das keinen Sinn hat. Dann muss man sich von einzelnen Institutionen trennen, um die anderen zu retten. Darüber habe ich in den letzten beiden Wochen viel diskutiert. Doch ich habe noch keine abschließende Meinung dazu. Unabhängig davon würde ich mir natürlich wünschen, dass man die Kultur vom Sparen ausnähme. Aber wie soll ich den Wählern gegenüber rechtfertigen, dass beim Sozialen, bei der Bildung oder der Inneren Sicherheit gespart wird und bei der Kultur nicht?

Am Dienstag ist Schauspielhaus-Intendant Schirmer aufgrund der Sparzwänge zurückgetreten. Verstehen Sie ihn?

Mein Eindruck ist, dass Herr Schirmer eine sehr persönliche Entscheidung getroffen hat, die ich sehr bedauere. Sie hat einen sachlichen Hintergrund. Ich teile die Einschätzung von Herrn Schirmer ausdrücklich nicht, will ihn dafür aber auch nicht kritisieren. Fachleute sagen, dass mit dem gegebenen Etat ein hochwertiger Spielbetrieb im Schauspielhaus möglich sei.

Man munkelt, dass sie jetzt eigentlich Berater der ugandischen Regierung sein wollten.

Als mich Herr Ahlhaus bat, Kultursenator zu werden, bereitete ich in der Tat gerade einen kleinen Beratungsauftrag in Uganda vor. Er betraf ein wirtschaftspolitisches Thema. Das wäre aber bloß ein einzelner Beratungseinsatz gewesen. Als Rechtsanwalt und Berater hatte ich mich schon seit langem auf internationale und weitgehend außereuropäische Mandate konzentriert.

Sie haben ja auch Afrikanistik studiert. Warum?

Dazu wurde ich in einem Museum verleitet. Während meines Studiums habe ich eine Tagung besucht, die im völkerkundlichen Museum der Steyler Mission bei Bonn stattfand. Während der Mittagspause bin ich aus Langeweile in die Ausstellungen gegangen. Der Leiter des Museums bemerkte es und bestärkte mich in meinem Interesse. Nach meiner Rückkehr nach Hamburg habe ich mich dann – parallel zum Jura-Studium – für Afrikanistik eingeschrieben.

Was genau fesselt Sie an der afrikanischen Kultur?

Sie ist so anders und doch für uns Europäer so gewinnbringend. Da ist zum Beispiel die Konsensorientierung. Dafür gibt es im Afrikanischen ein Wort, das auf deutsch zu Unrecht negativ besetzt ist: das Palaver. Das bedeutet, dass man so lange zusammen sitzt, bis ein Konsens gefunden ist. Ist am Schluss trotzdem noch jemand dagegen, hat er die Pflicht, sich dem Konsens nicht in den Weg zu stellen. Oder das afrikanische Strafrecht: Hier werden in der Verhandlung oft weder der Sachverhalt noch die Schuldfrage bis ins Detail geklärt. Das Ziel ist vielmehr, Frieden zu stiften und Täter und Opfer zu versöhnen – denn schließlich müssen beide weiter am selben Ort leben. Was mich an Afrika außerdem beeindruckt, ist das Augenmaß. Ein Sprichwort aus Mali besagt: „Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.“ Ich schätze dieses Wort sehr und glaube, dass es mir im Senatorenamt helfen wird.

Wenn Ihre Senatskollegen hören, dass Sie – gemäß afrikanischem Konsens-Muster – letztlich nachgeben, werden sie Sie über den Tisch ziehen.

Ich habe nicht gesagt, dass ich nachgebe. Das Sprichwort besagt ja nur, dass man das richtige Augenmaß haben soll. Natürlich kann man das Gras wässern. Aber wenn man zu viel gießt, verfault es. Dieser Spruch ist keine Aufforderung zur Passivität. Sondern zum Pragmatismus.