LIEBE IST VERGÄNGLICH : Durchgeplanter Tod
Nachdem wir auf dem Küchenboden Liebe gemacht hatten, setzten wir uns auf die Wohnzimmercouch und redeten über den Tod.
Meine Partnerin für den Abend hatte soeben ihren Vater verloren, jedenfalls ihren biologischen, zu dem sie seit ihrer Kindheit einen höchst sporadischen Kontakt pflegte. Sie hat das Erbe angetreten, obschon sie sich eigentlich nichts davon erwartete. Sie hatte die vermüllte Eigentumswohnung, Platte, Erdgeschoss, gemeinsam mit der Exfrau ihres Biovaters inspiziert, gelüftet und fürs Erste durchgeputzt. Dann hatte sie sich um den Papierkram gekümmert: Krankenhaus, Totenschein, Bestattungsunternehmen, Krematorium, Erbschein, Bankschließfach.
Der Tod scheint eine reichlich komplizierte Angelegenheit zu sein. Es reichte nicht, irgendwo eine Unterschrift zu leisten und einen bestimmten Betrag zu entrichten, nein, alles will durchdacht und durchgeplant sein, die deutsche Bürokratie hört nicht im Jenseits auf, sondern fängt dort erst so richtig an. Ich meine, wusstet ihr, dass man einen Sarg kaufen muss, auch wenn der Leichnam eingeäschert wird? Dass es Begriffe wie Sargmatratze und Friedhofspflicht gibt? Dass Seebestattung je nach Bundesland nur für die Marine da ist? Und dass selbst bei katholischen Begräbnissen der Sarg mit Metall ausgeschlagen wird, damit man als Verwesender nicht ins Grundwasser suppt und so ein Friedhof nicht die Wasserversorgung des Umkreises kontaminiert?
Und jetzt stelle man sich vor, dass diese Metallkästen nach Ablauf der Grabmiete wieder entsorgt werden müssen – von wem? Und wie?
Ein hartes Thema für nach der Liebe, oder? Ich schaute aus dem Wohnzimmerfenster über die Dächer von Prenzlauer Berg und dachte nur: Man muss alles mitnehmen, was man kriegen kann. Wer weiß, wie lange das überhaupt noch geht. RENÉ HAMANN