DAS ENTSCHEIDENDE DETAIL: Einerlei Maß
KRIM Moskaus Politik auf der ukrainischen Halbinsel beunruhigt Serbiens Nationalisten zutiefst
Wladimir Putin ist ein Star in Serbien. Nach über 25 Jahren nationalistischer Dauerpropaganda, dem Zerfall Jugoslawiens, dem Krieg um die Reste des Balkanstaats, den Nato-Luftangriffen und dem Verlust der Provinz Kosovo lechzt die Öffentlichkeit nach einem starken Mann wie dem russischen Präsidenten. Putin gilt als großer, starker slawischer Bruder. Als einer, der seinen Worten Taten folgen lässt. Der sich von niemandem unterkriegen lässt. Schon gar nicht vom Westen.
Kein Wunder also, dass Russlands Staatschef für seine harte Politik gegenüber der ukrainischen Interimsregierung und die Besetzung ukrainischen Halbinsel Krim in den Medien Serbiens gefeiert wurde. Zumal er in einem Interview die Situation dort mit der im Kosovo verglichen hatte. Das Boulevardblatt Informer ernannte den Russen dafür am 5. März per Schlagzeile „Putine, Srbine!“ zum Serben.
Erst später fiel aufmerksamen serbischen Nationalisten auf, dass der Vergleich auch ganz anders verstanden werden kann. Bürger, die in einem bestimmten Territorium leben, dürften über dessen Zukunft selbst bestimmen, hatte Putin gesagt – und als Beispiel die albanische Bevölkerungsmehrheit im Kosovo genannt, die die Abspaltung der Provinz von Serbien durchgesetzt hatten. Wenn die Bewohner der Krim nun dem Kosovo-albanischen Beispiel folgen wollten, sei das im Sinne des SELBSTBESTIMMUNGSRECHTS – und völlig in Ordnung.
„Was das Kosovo darf, darf die Krim auch“, hatten Serbiens Mainstreammedien daraus gemacht – und völlig übersehen, dass Putins Aussage auch heißen könnte: Wenn eine Abspaltung der russischen Bevölkerungsmehrheit auf der Krim von der Ukraine o.k. ist – dann war es die der albanischen im Kosovo von Serbien auch. Was auch heißen würde, dass Serbien nicht mehr auf Russland als Verbündeten in der Kosovo-Frage rechnen kann. Putin habe vielleicht „in der Eile die falsche Analogie zwischen Kosovo und der Krim hergestellt“, versucht ein Berater des nationalistischen serbischen Expräsidenten Vojislav Kostunica die Situation zu retten.
Und übersah, dass Russland – trotz aller verbalen Unterstützung für Serbiens Wünsche gegenüber dem Kosovo – schon 2008 die Unabhängigkeit der abtrünnigen Provinzen Abchasien und Südossetien von Georgien unterstützt hatte. RR
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