: Lohn des Selbst-Outings
Klaus Wowereit, Berlins Regierungschef, glaubt nicht, dass sich sein offenes Schwulsein ausgezahlt hat. Irrtum!
Die letzten Tage vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin gehen leidlich still ins Land – vom Wahlkampf in der Hauptstadt ist so recht(s) nichts zu merken. Unionskandidat Friedbert Pflüger halten alle für lieb und freundlich – aber gegen den Star der Stadt kommt er am 17. September nicht an.
Klaus Wowereit ist einfach ein Fels im metropolen Getümmel – respektiert, manchmal geliebt, einst auch gehasst, aber diese aversiven Gefühle sind verblasst. „Wowi“, den die konservative Presse als Partymeister zu diskreditieren suchte, weil er nicht gramgebeugt über Akten zu hocken scheint.
Tatsache ist, dass Wowereit seit Willy Brandt der populärste Bürgermeister Berlins ist – und das hat auch mit jenem Aplomb zu tun, mit dem der Sozialdemokrat vor fünf Jahren auf einem SPD-Landesparteitag seinen Anspruch auf die Bürgermeisterkandidatur unterstrich: „Ich bin schwul – und das ist auch gut so.“
In Cicero, dem Journal für die moderne konservative Seele, antwortete Wowereit nun, befragt, ob sich sein Selbstouting gelohnt habe, „es hat mir nicht geschadet, aber es hat mir auch nicht genützt“. Und, offenbar selbst erstaunt, dass ein offen homosexueller Bürgermeister in Berlin einer Wiederwahl beinah sicher sein kann, schränkt aber ein: „Homophobie gibt es auch in Teilen von Berlin.“ Im queeren Stadtmagazin Siegessäule detailliert Wowereit schließlich, er werde „von vielen Leuten noch anders betrachtet als ein heterosexueller Politiker“, außerdem fragten Journalisten „immer noch, ob man als Homosexueller eine andere Politik macht“.
Was im Übrigen Wowereit stets bestritten hat – triftigerweise, wie auch seine Gegner einräumen, denn der Sozialdemokrat macht das, was er eben zu tun hat: die Verarmung in Teilen der Stadt zu moderieren und zugleich Berlin in aller Welt zu promoten. Ob Wowereit auch eine Mehrheit für höhere Parteiweihen fände? In Bälde will er für das Amt des stellvertretenden Parteivorsitzenden kandidieren – aber in seiner Partei raunt es gerade im Gewerkschaftsflügel, einer wie Wowereit sei doch nicht präsentabel, weil schwul, so das unausgesprochene Argument.
Aber erstaunlicherweise hat Wowereits Homosexualität auch seiner Karriere nicht geschadet, sondern sie eher befördert – in Berlin wird geliebt, wer in eigener Sache nicht lügt, Kleingärten nicht planiert, Döner wie Currywurst isst und außerdem gern mal um die Häuser zieht.
Darüber hinaus muss Wowereit mit einem gläsernen Dach rechnen: Wie für Frauen wie Hillary Rodham-Clinton gilt, dass man ihr (oder eben ihm) die mächtigsten Posten auszufüllen zutraut – aber zugleich, in einer Art (Un-)Wertschätzung, ihnen Geschlecht oder sexuelle Prägung als Malus vorhält. JAF