Atompolitiker fahren in Salzstock

ENERGIE Mitglieder des Gorleben-Untersuchungsausschusses informieren sich im Wendland über das geplante Atommülllager. Nächster Castor rollt wohl am 5. November

„Wir wollen herausfinden, was hier schon ausgebaut wurde“

SYLVIA KOTTING-UHL, GRÜNE

AUS GORLEBEN REIMAR PAUL

Vor dem Tor des Gorlebener Endlagerbergwerks demonstrieren Atomkraftgegner mit Traktoren und Tröten, unter Tage lassen sich 15 Bundestagsabgeordnete in Grubenfahrzeugen durch den Salzstock führen. Die Mitglieder des Gorleben-Untersuchungausschusses des Bundestags informierten sich am Donnerstag vor Ort über den Stand der Erkundungsarbeiten – und nutzen die Gelegenheit für einen zünftigen Parteienstreit.

Der im Frühjahr eingesetzte Ausschuss soll die Umstände der Standortbenennung in den 1970er und 1980er Jahren klären – SPD, Grüne und Linke vermuten politische statt geologischer Motive. Eigentlich ein klarer Auftrag, doch über die Aufgaben des Gremiums gibt es mächtig Streit. „Wir arbeiten nur die Geschichte des Standorts Gorleben auf“, sagte die Ausschussvorsitzende Maria Flachsbarth (CDU). Mit der Frage, ob der Salzstock als Endlager für Atommüll taugt, beschäftige sich das Kontrollgremium deshalb nicht.

SPD-Obfrau Ute Vogt sieht das ganz anders. Es gehe „auch um die Zukunft von Gorleben“, sagte sie. Ein unter so fragwürdigen Verhältnissen ausgewählter Standort könne auf Dauer kaum Bestand haben. Vogt sprach von einem „Missbrauch des Parlamentes“. In Gorleben würden Fakten geschaffen, „ohne zu überprüfen, ob der Standort rechtsmäßig gewählt wurde“. Die Untersuchung des Salzstocks soll im Oktober dieses Jahres nach einem zehnjährigen Moratorium weitergehen.

CDU-Obmann Reinhard Grindel verteidigte die Entscheidung, dass die Erkundung des Salzstocks nach dem Bergrecht erfolgen soll, das weniger Öffentlichkeitsbeteiligung vorsieht als das strengere Atomrecht. „Das Bergrecht ist die richtige Grundlage für das jetzige Verfahren.“ Die Grünen-Obfrau Sylvia Kotting-Uhl äußerte den Verdacht, dass der Gorlebener Salzstock bislang nicht nur untersucht, sondern teilweise schon zu einem Endlager ausgebaut wurde. Der Untersuchungsausschuss werde herausfinden, „was hier faktisch schon ausgebaut ist“.

Bei den Demonstranten sorgte auch der gestern durchgesickerte Termin für den nächsten Castortransport nach Gorleben für Gesprächsstoff. Nach Informationen der Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg soll die Atommüllfuhre am 5. November in der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague starten. Die BI hat Massenproteste dagegen angekündigt. Die Kampagne „Castor schottern“ bekräftigte ihre Absicht, auf der Transportstrecke die Gleise zu unterhöhlen. Der Aufruf zu dieser Aktion wird bereits von mehr als 60 Initiativen und Organisationen aus dem ganzen Bundesgebiet getragen.

Unterdessen klagen die Anmelder der Anti-Atom-Großdemonstration, die an diesem Samstag in der Hauptstadt stattfinden soll, vor dem Berliner Verwaltungsgericht, weil sie nicht auf dem Platz der Republik vor dem Deutschen Bundestag demonstrieren dürfen. Um die Grünfläche zwischen dem Reichstagsgebäude und dem Kanzleramt vor dem Zertrampeln zu schützen, untersagt der zuständige, chronisch unterfinanzierte Berliner Bezirk Mitte die Nutzung der Wiese für Demonstrationen.

Meinung + Diskussion SEITE 12