: Könige der Straße
GÜTERVERKEHR Sie sind sechs Meter länger als normale Lkws und transportieren Blumen oder Kekse: Gigaliner. Ab 2011 sollen sie durch das ganze Land rollen
■ Der Wunsch: Dieser Artikel entstand auf Anregung unserer Leserin Karin Biel. Sie mailte: „Sehe ich richtig, dass die Länge der Lkws sich verdoppelt hat? Es ist doch ein heller Wahnsinn, wenn man bedenkt, dass bei gleichbleibender Bevölkerung hier im Lande das Frachtaufkommen sich derart vergrößert hat. Was für sinnloses, nutzloses Zeug wird da durch die Gegend gekarrt!“
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VON SEBASTIAN HEISER
Am Lkw von Volker Schmidt prangt ein Aufkleber: „Achtung, Überlänge“. Das Fahrzeug der Spedition Voigt misst gut 25 Meter – es ist so lang wie 15 Fahrräder. Bisher dürfen Lkws nur 18,75 Meter lang sein. Doch das Fahrzeug „lässt sich genauso fahren wie ein normaler Sattelzug“, sagt Schmidt. Der extralange Gigaliner transportiert zum Beispiel Kekse und andere Lebensmittel von Stapelfeld bei Hamburg nach Neumünster. „Vorher brauchten wir dafür sechs Fahrten am Tag, jetzt nur noch vier“, sagt Spediteur Henning Voigt. „Wir verringern damit den Verkehr, sparen Dieselkraftstoff und senken den CO2-Ausstoß.“ Kritiker befürchten dagegen, dass eine allgemeine Erlaubnis der Gigaliner teuer für die Allgemeinheit und schädlich für die Umwelt wird.
Schleswig-Holstein gehört zu den Ländern, die eine Ausnahmegenehmigung für einzelne Gigaliner erteilt haben: Auf zwei Strecken fährt die Spedition Voigt, auf der dritten transportiert eine dänische Spedition Blumen. Die Bundesregierung plant einen deutschlandweiten Feldversuch mit Gigalinern im kommenden Jahr. Man wolle so „immense Erleichterungen für den Güterverkehr schaffen“, sagt Andreas Scheuer, CSU-Staatssekretär im Verkehrsministerium. Autofahrer werden dann häufiger auf Gigaliner stoßen. Laut Scheuer wollen über 200 Firmen an dem Feldversuch teilnehmen. Er sieht in Groß-Lkws einen Beitrag, den enormen Zuwachs im Transportwesen zu bewältigen.
Im vergangenen Jahr wurden 3,6 Milliarden Tonnen an Gütern durch Deutschland bewegt: 86 Prozent davon auf der Straße, 8 Prozent auf der Schiene, 6 Prozent in Schiffen. Nach einer Prognose im Auftrag des Verkehrsministeriums wird der Güterverkehr in Deutschland bis zum Jahr 2025 um 70 Prozent zunehmen. Gerade durch das Wachstum der Branchen Elektrotechnik, Maschinen- und Fahrzeugbau werden mehr Produkte transportiert. Viel entscheidender ist aber die Globalisierung: Erst der zunehmende grenzüberschreitende Handel lässt Transporte so stark ansteigen.
Gigaliner eignen sich vor allem für leichte Ladung, die viel Platz braucht: Kekse, Matratzen, Chips. Denn die Fahrzeuge bieten zwar 50 Prozent mehr Ladefläche, das Gesamtgewicht inklusive Ladung muss aber wie bisher bei 40 Tonnen bleiben. Weil das Gewicht sich auf mehr Achsen verteilt, ist sichergestellt, dass die Straßen nicht stärker belastet werden.
In Thüringen transportieren die Fahrzeuge zum Beispiel Zwieback über 105 Kilometer. Uwe Adler, Professor für Straßenfahrzeugtechnik an der Fachhochschule Erfurt, hat das Projekt begleitet. Sein Ergebnis: Dank Gigalinern wurde ein Drittel der Fahrten und 18 Prozent Diesel eingespart – das bedeutet 18 Prozent CO2-Reduktion. Enge Kurven und Kreisverkehre sind kein Problem: Der Anhänger hat eine lenkbare Achse und schafft denselben Wendekreis wie andere Lkws.
Der Gigaliner wird aber dazu führen, dass Güter verstärkt auf der Straße statt auf der Schiene transportiert werden. Umstritten ist, wie stark dieser Effekt ist. Martin Roggermann von der Allianz pro Schiene befürchtet: Für die Bahn könnte die Beförderung einzelner Güterwaggons so unattraktiv werden, dass dieses Angebot ganz eingestellt wird. Dabei ist dieser Transportweg viel umweltfreundlicher. Zudem befürchtet Roggermann, dass der Gigaliner nur ein erster Schritt ist: „Als Nächstes könnte das erlaubte Gewicht auf 60 Tonnen erhöht werden.“ Die dann nötige Verstärkung der Brücken „kostet den Steuerzahler Milliarden, während den Gewinn ganz allein die Speditionen und ihre Kunden einfahren“. Auch Dänemark und die Niederlande starteten mit dem Gigaliner zuerst als 40-Tonner – und erlauben jetzt bis zu 60 Tonnen pro Fahrzeug.
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