: Mögen Sie Pizza, Herr Strobl?
SCHWARZ-GRÜN Können sich eine grüne Reala und ein CDU-Mann heute noch richtig streiten? Ein Versuch mit der Fraktionsvize der Grünen Kerstin Andreae und Thomas Strobl, dem CDU-Landeschef von Baden-Württemberg
45, ist Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion. Sie ist Wirtschaftspolitikerin. Holte bei der Bundestagswahl im Wahlkreis Freiburg 20,9 Prozent. Griff danach nach dem Fraktionsvorsitz der Realos und unterlag gegen Katrin Göring-Eckardt. Ist verheiratet mit Volker Ratzmann, dem langjährigen Fraktionsvorsitzenden der Berliner Grünen.
VON ASTRID GEISLER UND PETER UNFRIED (INTERVIEW) UND WOLFGANG BORRS (FOTOS)
taz: Essen Sie eigentlich jeden Tag Fleisch, Herr Strobl?
Thomas Strobl: Nein. Vielleicht zweimal die Woche. Aber an welchen Tagen, möchte ich mir nicht vorschreiben lassen.
Kerstin Andreae: Und das ist auch richtig. Wer will schon jeden Donnerstag Fleisch essen.
Können Sie beide denn ernsthaft miteinander über Massentierhaltung und Fleischkonsum reden?
Andreae: Wer Nachhaltigkeit will, muss darüber reden. Das müsste auch ein Thema für eine moderne CDU sein.
Strobl: Tierschutz und gesunde Ernährung sind Megathemen für die CDU.
Aber?
Strobl: Ohne jedes Aber.
Andreae: Das Aber ist, dass Sie den Veggie-Day genutzt haben, um das Gegenteil zu propagieren.
Strobl: Entschuldigung, der Veggie-Day war keine Erfindung der CDU. Der wurde von den Menschen im Land als bevormundend empfunden. Ich empfehle, Frau Andreae, das Thema Veggie-Day nicht weiterzufahren.
Andreae: Ich würde empfehlen, Herr Strobl, mal jenseits von Lippenbekenntnissen was für den Tierschutz und gegen Massentierhaltung zu tun.
Sie kommen beide aus Baden-Württemberg und gehören beide der Neuauflage des schwarz-grünen Gesprächskreises „Pizza-Connection“ an, bei dem es allerdings keine Pizza gab.
Strobl: Es gab Pasta und Rotwein. Der Name stammt aus einer Zeit, in der die Pizza selbst eine kleine Revolution war. Helmut Kohl hat damals gesagt: Pizza ess ich nicht.
Mögen Sie denn Pizza, Herr Strobl?
Strobl: Ich esse lieber Flammkuchen. Den gerne mit Zwiebeln und Speck.
Andreae: Kohl hat die Pizza abgelehnt, aber er hat vor allem die Grünen abgelehnt.
Nicht nur Kohl, auch Fischer und Trittin hatten eine historisch bedingte Schwarz-Grün-Allergie. Sind Sie im Schwarzwald ähnlich traumatisiert vom CDU-Staat Baden-Württemberg aufgewachsen, Frau Andreae?
Andreae: Überhaupt nicht. Ich bin 1968 geboren. Diesen ideologischen Grabenkampf haben wir nicht verinnerlicht. Aber mein Vater war Kreiskassierer der FDP Rottweil, und deshalb musste ich im Gemeinschaftskundeunterricht immer das FDP-Programm vorstellen. Ich vermute, das hat mich zu den Grünen gebracht.
Was hat Sie in Heilbronn in die CDU getrieben, Herr Strobl?
Strobl: In meiner Schulzeit erlebte ich die Nachwehen von 1968, und die meisten Lehrer waren links. Das war zwar nicht der einzige Grund, aber wir wollten den Lehrern auch Kontra geben. Wir haben im Deutschunterricht zum Beispiel alles gelesen, was Wallraff geschrieben hat. Das war reine Heldenverehrung. Dagegen haben wir opponiert – und wie die Geschichte zeigt, lagen wir damit nicht ganz falsch.
In Ihrem schwarz-grünen Gesprächskreis suchen Sie jetzt das Gemeinsame. Lassen Sie uns an den ersten Erkenntnissen teilhaben?
Strobl: Heute ist es völlig normal, dass Abgeordnete von CDU und Grünen in Bund und Ländern miteinander sprechen, wenn es die Möglichkeit gibt, gemeinsam eine Regierung zu bilden. Wir haben jetzt im Bund sondiert, außerdem gibt es die neue Koalition in Hessen.
Noch vor Kurzem haben Sie als Generalsekretär des abgewählten CDU-Ministerpräsidenten Mappus ganz anders geredet, Herr Strobl. Was ist los, waren Sie in einer grünen Umerziehungsanstalt?
Strobl: Insbesondere nach der Landtagswahl 2011 habe ich viel nachgedacht, was es bedeutet, im 21. Jahrhundert ein christlicher Demokrat – oder, wenn Sie so wollen, ein Konservativer – zu sein.
Und?
Strobl: Ich möchte, dass die CDU eine diskutierende, eine offene Partei ist. Das Familienbild aus den 60ern, mit dem ich als Kind aufgewachsen bin, stimmt ja bei Gott nicht mehr mit dem überein, wie heute viele Familien leben. Das muss eine Partei zur Kenntnis nehmen. Moderne christdemokratische Politik will den Menschen und Familien nicht mit dem Zeigefinger bis ins Detail vorschreiben, wie sie leben sollen.
Warum verziehen Sie das Gesicht, Frau Andreae?
Andreae: Was heißt das denn konkret? Sollten Sie nicht mal Ihr Festhalten am Ehegattensplitting überdenken, Herr Strobl?
Strobl: Ich hab gerade überhaupt nicht an das Ehegattensplitting gedacht. Das müssen wir noch ein bisschen miteinander üben, Frau Andreae, dass wir uns nicht immer auf das Trennende fixieren.
Und Sie, Frau Andreae? Es gibt Grünen-Wähler, die wegen Ihrer Position zum Ehegattensplitting zur CDU geflohen sind. Wollen Sie die nicht zurück?
Andreae: Doch, jeden einzelnen. Und die überzeugen wir auch. Frauen lassen sich nicht länger mit dem Argument, es lohne sich nicht fürs Familieneinkommen, von der Arbeit abhalten. Da haben wir eine Fehlentwicklung. Wir müssen darüber diskutieren, was wir künftig steuerlich fördern und was nicht.
Wie müsste Herr Strobl sich verändern, damit er einer schwarz-grünen Koalition würdig wäre?
Strobl: Jetzt aber.
Andreae: Ich mag das nicht an der Person festmachen.
Strobl: Schade, ich war gespannt.
Andreae: Aber wir würden nie die Politik der CSU im Hinblick auf Einwanderung und Flüchtlinge zulassen. So ein Slogan wie „Wer betrügt, fliegt“: Das ist für Grüne nicht denkbar.
Das klingt, als sei die CSU das eigentliche Problem.
Andreae: Die Union ist im Bündnis mit der CSU unterwegs. Ich höre leider niemanden aus der CDU, der der CSU hier mal Paroli bietet.
Was ist für Sie der politische Kern eines schwarz-grünen Projektes?
Strobl: Mit den Projekten ist es so eine Sache, aber es gibt wesentliche Punkte: Umwelt- und Naturschutz unter dem Gesichtspunkt der Bewahrung der Schöpfung kann und soll auf der Agenda der CDU stehen.
Andreae: Ich finde auch, dass der Gedanke, Dinge zu erhalten oder sogar zu verbessern, CDU und Grüne zusammenbringen kann: gerade im Bereich der Umwelt. Aber dafür müsste die Union ihre Politik nachbessern und nicht nur Sonntagsreden halten. Nehmen Sie die Entscheidung zu Genmais: Alle sagen uns, wir wollen keine Gentechnik in der Landwirtschaft – auch viele Abgeordnete aus der Union. Aber man schafft’s dann nicht, eine klare Entscheidung zu treffen.
Strobl: Ich habe kein Problem damit, dass wir uns weiterentwickeln. Aber Sie stürzen sich immer gleich auf das Trennende, während ich gerne identifizieren möchte, wo die schwarz-grüne Konstellation Charme haben könnte. Ich war in Baden-Württemberg schon 2006 mit Grünen in Sondierungsverhandlungen. Ich will jetzt keine Geheimnisse verraten …
Doch bitte.
Strobl: Also gut, weil Sie es sind.
Andreae: Sie sind ja schneller zum Geheimnisverrat bereit als ein CSU-Innenminister.
Strobl: Sagen wir es so: Wir kamen erstaunlich gut voran. Damals trennten uns noch Big Points wie etwa die Frage nach der Nutzung der Kernenergie, die nun weg sind. Nehmen Sie das Thema Friedenspolitik, Sicherheits- und Außenpolitik. Da sind wir sicher nicht deckungsgleich, aber ein gemeinsamer Weg ist aus meiner Sicht nicht ausgeschlossen.
In Stuttgart verhinderte Mappus damals Schwarz-Grün, im Bund schickten die Grünen 2013 Leute los, die das mehrheitlich auf keinen Fall wollten. Das kann nichts werden.
Andreae: Ach, ich denke, wir müssen nach vorn schauen und dafür sorgen, dass wir in so eine Gesamtsituation nicht mehr kommen. Wir hatten einen Wahlkampf mit dem Motto: Grün oder Merkel. 8,4 Prozent haben uns auch mit dieser Aussage gewählt. Da kommen Sie nicht mehr dahinter zurück.
Was wird konkret getan?
Andreae: Ich möchte, dass wir aus dem Lagerdenken herauskommen. Die Grünen müssen den Begriff der Eigenständigkeit nicht nur vor sich hertragen, sondern ihn leben – so wie Winfried Kretschmann, der sich selbstverständlich mit Horst Seehofer trifft, wenn es gemeinsame Interessen gibt. Ich will eine Situation für die nächste Bundestags- oder Landtagswahl, in der wir offen sondieren können, ohne eine Schere im Kopf.
Was ist mit Ihrem Gestus, dass die 8,4-Prozent-Partei die von 42 Prozent der Bürger gewählte Partei zivilisieren muss?
Andreae: Für Grüne gibt es Punkte, die nicht verhandelbar sind, egal ob wir 5, 8 oder 12 Prozent haben.
Wo bleibt Ihre eigene Lernbereitschaft?
Andreae: Die ist da. Und die erwarte ich auch bei der Union, zum Beispiel bei der Homoehe, der Energie- oder Familienpolitik. Unsere Lektion in Sachen Steuerpolitik haben wir gelernt.
Laut Trittin haben die Wähler es einfach nicht kapiert. Die müssen nachsitzen.
Andreae: Nein, ich werde einen Teufel tun und hier Wähler beschimpfen. Wähler wählen, und wir konnten mit unserem Programm nicht überzeugen und haben dazu noch schlecht kommuniziert.
Strobl: Das ist immer so eine Sache, wenn man sagt: Das war schlecht kommuniziert. Vielleicht ist doch eher der Standpunkt überdenkenswert.
Weil Sie von Bewahrung der Schöpfung sprachen, Herr Strobl. Ihr Standpunkt ist, dass für die Schöpfung der christliche Gott verantwortlich ist?
Strobl: So denken Christdemokraten, ja.
Und Sie, Frau Andreae?
Andreae: Entscheidend ist, dass wir verantwortungsvoll mit der Erde umgehen müssen, um die Lebensgrundlage der Menschen zu erhalten, auch in den armen Ländern und für die kommenden Generationen. Ob das einen christlichen Hintergrund hat, einen anderen religiösen oder einen evolutionären, spielt keine Rolle, genauso wenig wie meine eigene Haltung dazu. Ich denke, dass wir uns beim Gedanken des Bewahrens für künftige Generationen nah sind.
Mal sehen, wie lange die Nähe währt, wenn es konkret wird …
Andreae: Das Konkrete findet sich in der Finanzpolitik. Wir wissen beide, dass wir Haushalte sanieren müssen, um den nachfolgenden Generationen Spielraum zu hinterlassen. Das spiegelt sich meiner Meinung nach bei Schwarz und Grün besser wider als in anderen Konstellationen.
Strobl: Super. Im Bund sind wir gerade dabei, die Politik auf Pump zu beenden, ab dem nächsten Jahr keine neuen Schulden zu machen, die Schuldenbremse besser einzuhalten als vorgenommen. Das sind Punkte, die zeigen, dass wir es mit der Nachhaltigkeit ernst meinen. Ich sehe auch gemeinsame Grundsätze mit den Grünen, aber ich kann es mir nicht verkneifen …
Andreae: Wenn jetzt Baden-Württemberg kommt, sag ich doch auch wieder was Trennendes.
Strobl: … darauf hinzuweisen, dass der Spitzenplatz von Baden-Württemberg in der Haushaltspolitik verspielt worden ist, seit Winfried Kretschmann regiert.
Andreae: Die CDU hat auf Pump gelebt, allen alles versprochen und uns ein strukturelles jährliches Defizit von 2,5 Milliarden Euro hinterlassen.
Strobl: Wie lange wollen Sie die Geschichte noch erzählen? Sie regieren schon fast drei Jahre.
Andreae: Und sie haben das Land jahrzehntelang ausgeplündert. Wir sind jetzt schon auf 1,8 Milliarden runter und es geht weiter. So saniert man Haushalte.
Strobl: Was Sie über die früheren CDU-geführten Landesregierungen sagen, ist schlicht nicht richtig. In der Haushaltspolitik stand Baden-Württemberg im Vergleich der Länder in der Spitzengruppe – das ist unter Grün-Rot anders. Zur Nachhaltigkeit gehört die Disziplin, nicht immer nachzugeben. Und das gelingt Ihnen leider nicht. Aber trösten Sie sich, der Finanzminister ist ja ein Sozialdemokrat.
Wenn soziale Gerechtigkeit und Umverteilung der Kern von Rot-Rot-Grün bleibt, könnte ein anderer, sagen wir nachhaltiger Gerechtigkeitsbegriff der von Schwarz-Grün sein?
Andreae: Gerechtigkeit ist eine Frage der Verteilung von Mitteln und Ressourcen, kein Zweifel. Aber für uns Grüne ist Gerechtigkeit mehr als Verteilungsgerechtigkeit, nämlich auch Gerechtigkeit zwischen Generationen, Geschlechtern und Nationen.
Strobl: Wenn wir beide im Blick haben, dass etwas erwirtschaftet werden muss, bevor es verteilt werden kann, kommen wir ganz schnell zueinander.
Andreae: Erwirtschaften braucht auch soziale Gerechtigkeit.
Strobl: Ja, natürlich, aber das Erwirtschaften gerät mir oft zu sehr in den Hintergrund.
Sie haben beide Traditionswähler, auf die Sie stark Rücksicht nehmen müssen beim Versuch, einen modernen Gerechtigkeitsbegriff zu etablieren.
53, ist Bundestagsabgeordneter, Landesvorsitzender der CDU Baden-Württemberg und stellvertretender Vorsitzender der Bundes-CDU. Weniger Fachpolitiker, mehr Machtmanager. War für die historische Abwahl 2011 als Generalsekretär mitverantwortlich und übernahm danach die Südwest-CDU. Ist verheiratet mit Christine Strobl, Leiterin Degeto-Film und Tochter von Wolfgang Schäuble.
Andreae: Gerade bei der Gerechtigkeit zwischen Männern und Frauen ist viel zu tun – von den geringeren Löhnen für Frauen bis zur Quote bei den Aufsichtsräten. Diese Frage ist für uns zentral.
Sie haben in Baden-Württemberg kein Frauenproblem, Herr Strobl, denn Sie haben keine Frauen.
Strobl: Damit tun Sie den vielen Frauen, die in der CDU sind, Unrecht.
In der baden-württembergische Landesgruppe der Bundestagsfraktion sind es 7 – von 43.
Strobl: Wir haben darüber hinaus schon ein paar mehr. Aber Sie haben Recht: Es dürfen gerne mehr werden, wir haben keinen Aufnahmestopp. Sie sind uns herzlich willkommen.
Es könnte helfen, was dafür zu tun.
Strobl: Das tun wir, sehr intensiv und mit langem Atem. Da entwickelt sich auch etwas positiv. Aber es ist keine Frage für mich, dass die CDU sich weiter öffnen muss, insbesondere für Frauen und auch für Jüngere.
Was ist mit Ihrem Standpunkt zum Adoptionsrecht Homosexueller? Überdenken Sie den gerade?
Strobl: Ich gehöre zu denen in meiner Partei, die sich recht früh schon für die steuerliche Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften ausgesprochen haben.
Warum?
Strobl: Weil sich ein Christdemokrat, ein Konservativer freut, wenn sich zwei Menschen binden und ein Leben lang Verantwortung füreinander übernehmen. Wir sagen: Das macht die Welt besser und verlässlicher. Deshalb darf man nichteheliche Lebenspartnerschaften nicht steuerlich schlechter stellen.
Beim Adoptionsrecht für Lesben oder Schwule zögern Sie selbst aber auch.
Strobl: Viele Menschen tun sich persönlich schwer mit dem Gedanken, gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften auch das volle Adoptionsrecht zu geben. Ich will gar nicht verhehlen, dass es mir auch so geht. Bei der Adoption muss die Frage im Vordergrund stehen: Was ist das Beste für das Kind? Deswegen ist es mir lieber, wenn wir da fünfmal zu viel nachdenken als einmal zu wenig.
Andreae: Aber die Union hat ja nicht lange geprüft bei der steuerlichen Gleichstellung, sondern das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, man müsse dies nun umsetzen. Deswegen nehme ich an, dass beim Adoptionsrecht das Gleiche passiert. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet. Nicht die CDU.
Ist es nicht unerträglich, Herr Strobl, dass in Ihrem Bundesland kaum homosexuelle Lehrer und Schüler zu ihrer sexuellen Orientierung offen stehen können, weil das bisher in Schulen tabuisiert wird?
Strobl: Ich weiß nicht, ob Sie recht haben mit dem, was Sie da unterstellen. Aber ich bin sehr dafür, dass die Vermittlung von Toleranz auch in der Schule eine wichtige Rolle spielt. Man darf aber nicht missionarisch überziehen, sondern muss die Menschen, die Familien mitnehmen.
Der Entwurf des grün-roten Bildungsplans für Baden-Württemberg mit dem Versuch der Entdiskriminierung Nichtheterosexueller ist missionarisch überzogen?
Strobl: Gut gemeint ist manchmal das Gegenteil von gut gemacht. So scheint es mir bei dem Thema sexuelle Vielfalt im grün-roten Bildungsplan auch zu sein. Mit dieser Kritik stehe ich übrigens nicht alleine: Auch Christoph Michl, der Organisator des Christopher Street Days in Stuttgart, hat sie formuliert.
Toleranz heißt, über unterschiedliche Lebenswirklichkeiten nicht zu reden?
Strobl: Nein, Toleranz heißt nicht zu tabuisieren.
Die Gegner des Bildungsplans werfen Ihnen schon wieder vor, Sie wollten die Leute in eine grün-rote Erziehungsanstalt stecken. Was tun, Frau Andreae?
Andreae: Die Frage von Lebensentscheidungen und sexuellen Orientierungen muss in Schulen in einem angstfreien Klima ihren Raum finden. Wir Grünen werden in dieser Sache auf keinen Fall aus Sorge vor einem falschen Bevormundungsvorwurf zurückziehen.
Wie geht es nun weiter mit den Pasta-Gesprächen? Wir haben den Eindruck, das Trennende überwiegt heute bei Ihnen.
Strobl: Ach, wissen Sie, in meinem Kalender stand „Streitgespräch bei der taz“ und nicht „Kuscheln auf dem roten Sofa“. Vielleicht sind in einer Demokratie auch die Alternativen und der Streit das Interessantere.
Andreae: Wenn wir nach der besseren Politik suchen, und darum geht es ja, müssen wir gerade über das Trennende reden – und anhand des Trennenden die eigene Politik prüfen. Ich will auch verstehen, was wir verändern müssen, auch wenn ich lieber die Union verändert sehen würde.
Strobl: Das ist wie im richtigen Leben.
■ Astrid Geisler, 39, ist taz-Parlamentskorrespondentin
■ Peter Unfried, 50, ist Chefreporter der taz