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Archiv-Artikel

Eine erstaunliche Wandlung

VFB STUTTGART Mit 7:0 bescherte der VfB den Gladbachern die größte Schmach seit 44 Jahren. Stürmer Pavel Pogrebnyak hat mittlerweile seinen Platz im Team gefunden – dreimal traf er gegen hoffnungslose Gladbacher

„Ich bin nicht als Populist bekannt, aber das war lächerlich“

MICHAEL FRONTZECK, GLADBACH

AUS STUTTGART ELKE RUTSCHMANN

Seinen neuen Freund hatte Pavel Pogrebnyak in eine weiße Plastiktüte gepackt, als er am Samstag das Stadion verließ. Gleich dreimal hatte der russische Stürmer des VfB Stuttgart den Ball mit dem in diesem Fall passenden Namen Torfabrik im Kasten von Borussia Mönchengladbach untergebracht.

Der Russe hatte sich auf dem Platz derart prächtig mit der Kugel verstanden, dass er sie nach dem 7:0 des VfB Stuttgart gegen Borussia Mönchengladbach auf dem Rücken unter seinem schwarzen Pulli versteckte. „Ich bin sehr glücklich. Es war das erste Mal, dass ich in der Bundesliga drei Tore gemacht habe“, sagte Pogrebnyak und verriet, dass er den Ball seinem Sohn zum Spielen mitbringen wolle.

Es hat lange gedauert, aber nun haben sie, so scheint es, doch zueinander gefunden – der bullige Stürmer und der VfB Stuttgart. Vor der vergangenen Saison war er von Zenit St. Petersburg nach Stuttgart gewechselt und sollte den bis dahin so überragenden Mario Gomez ersetzen. Doch schon nach wenigen Auftritten hatte man das Gefühl, dass der Ball und der Russe in Stuttgart wohl doch keine Freunde werden würden.

Das lag unter anderem daran, dass Pogrebnyak fast schon eine Spielzeit in Russland durchgespielt und keine Pause gehabt hatte, als er zum VfB kam. Zudem fühlte er sich mit seiner Familie in Stuttgart lange fremd. Doch nun ist irgendwie alles anders. Sein Deutsch ist besser, und er absolvierte die komplette Vorbereitung. „Er ist fit und harmoniert gut mit Cacau“, sagte Trainer Christian Gross.

Gegen Gladbach durchlief neben dem 26-jährigen Stürmer das ganze Team eine erstaunliche Wandlung. „Jeder hat sich freigespielt. Das gilt auch für Pavel“, sagte Sportdirektor Fredi Bobic. „Wenn er so arbeitet, dann muss er nicht einmal Tore schießen.“ Diesmal traf Pavel Pogrebnyak gleich dreimal (2., 54., 60.) gegen völlig überforderte Gladbacher, die mit dem 0:7 die höchste Auswärtspleite in ihrer Bundesliga-Geschichte seit 1966 kassierten. Die Gäste halfen kräftig dabei mit, dass sich die Stuttgarter nach drei Niederlagen in der Liga mit Leichtigkeit und nach Belieben aus der Krise schießen konnten.

Symptomatisch für den schmachvollen Auftritt der Gladbacher war, dass fünf der sieben Gegentore aus Standardsituationen resultierten. Neben Pogrebnyak waren auch Georg Niedermeier (25.), Zdravko Kuzmanovic per Freistoß (64.) und VfB-Kapitän Matthieu Delpierre (72.) erfolgreich. „Ich bin nicht als Populist bekannt, aber das war nichts, das war lächerlich. Da muss man sich bei den mitgereisten Fans entschuldigen“, sagte Michael Frontzeck. Entsprechend konträr fiel das Fazit seines Kollegen Christian Gross aus: „Ich freue mich sehr. Das Team hat Spielfreude und Entschlossenheit an den Tag gelegt.“

Es scheint, als hätte der Schweizer doch eine gute Mischung aus Erfahrung und jungen Talenten gefunden. Auch Mauro Camoranesi deutete gegen Gladbach an, dass er mit seiner Routine noch sehr wichtig für den VfB werden könnte. „Ich möchte das Spiel mitbestimmen und muss jetzt erst mal die Sprache lernen“, sagte Camoranesi. „Wir dürfen jetzt aber nicht abheben.“

Zu viel Euphorie wollen sie trotz der zauberhaften Verwandlung rund um das Rote Haus nicht aufkommen lassen. „Auch für ein 7:0 gibt es nur drei Punkte. Aber für die Fans war das wichtig“, sagte Bobic. Vielleicht hatte er das Beispiel der Borussia vor Augen. Am zweiten Spieltag gewann das Team von Michael Frontzeck mit 6:3 bei Bayer Leverkusen. „Das ist Gift für uns gewesen“, sagte Gladbachs Sportdirektor Max Eberl. Der überraschende Sieg sei der Mannschaft zu Kopf gestiegen. „Weniger Einsatz, auch beim Training, dann kommt so was dabei raus.“