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Archiv-Artikel

Beamte sollen Koffer packen

Die Debatte über einen Komplettumzug der Bundesministerien ist erneut entbrannt: Noch immer arbeiten 10.000 Beamte in Bonn. Linkspartei und SPD fordern eine schnelle gesetzliche Neuregelung

von Marlene Wolf

Für den Umzug der letzten Bonner Beamten an die Spree steht alles bereit: Wohnungen und Büroräume gibt es genug, und auch die Berliner Wirtschaft würde sich über mehr Arbeitsplätze freuen. Jetzt müssten die Umzugskisten nur noch gepackt werden.

„Perspektivisch müssen alle Ministerien nach Berlin ziehen“, sagte auch der Exfinanzminister Hans Eichel. Auch sein ehemaliger Amtssitz ist bis heute zweigeteilt. Ideal sei so eine Situation nicht, sagte Eichel. „Natürlich haben wir immer die Mittel der modernen Kommunikation genutzt, aber es ist ein Unterschied, ob man die Menschen immer nur am Telefon spricht oder persönlich.“ Bloße Verwaltungsbereiche sollten aber in Bonn bleiben. „Das wäre eine vernünftige Arbeitsteilung.“

Denn auch fünfzehn Jahre nach dem Umzugsbeschluss haben alle Bundesministerien immer noch einen Dienstsitz in Bonn. Zwar haben die meisten Ministerien und das Bundeskanzleramt ihren Hauptsitz nach Berlin verlegt, und mittlerweile arbeiten rund 8.800 Beamte an der Spree. Doch in Bonn geblieben sind rund 10.000 Beamte, und die Zentralen von sechs Ministerien – für Verteidigung, Umwelt, Agrar, Entwicklung, Gesundheit und Bildung.

Am vergangenen Sonntag hatten deswegen auch Etatexperten der Bundesregierung verkündet, der Umzug an die Spree sei „Konsens“. Doch schnell schmetterten Politikern der FDP und CDU diese Äußerung als „Blödsinn“ ab. Gestern dementierte schließlich ein Regierungssprecher. „Innerhalb der Bundesregierung gibt es keine Diskussion über die Aufteilung der Ministerien“, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Das Bonn-Berlin-Gesetz sei Teil des Koalitionsvertrages und bleibe unberührt. Die Berliner Regierungspartei Die Linke.PDS forderte dagegen eine Neuregelung dieses Gesetzes. Es sei unverständlich, warum 15 Jahre nach dem Kompromiss Mitarbeiter von Bundesministerien weiter nach Berlin pendeln müssten. Der Steuerzahler müsse endlich von der „Finanzierung dieser Doppelstrukturen“ befreit werden, hieß es in einer Erklärung.

Sollte es so weit kommen, müssten sich mehrere tausend Beamte nach neuen Wohnungen umschauen. Auf dem Wohnungsmarkt sei für Zuzügler noch genügend Platz, sagte Thomas Leitschuh, der Leiter der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, die Wohnungen verwaltet, die extra für Bonner Beamte errichtet wurden. Auch für komplette Ministerien seien noch genügend Gebäude vorhanden, sagte Leitschuh, „so zum Beispiel am Columbiadamm oder in der Mauerstraße. Ausgeschlossen sei aber der Flughafen Tempelhof. Das Gebäude habe man auf mögliche Mietkosten überprüft, diese seien aber zu hoch. Ein Neubau sei in der Regel die günstigste Variante.

Bei einem Umzug gäbe es aber nicht nur einen Zuwachs an Bauvorhaben, auch mittelständische Unternehmen könnten davon profitieren, sagte Holger Lunau, Sprecher der Industrie- und Handelskammer (IHK). Reinigungskräfte, Fuhrparks und Postzusteller bekämen durch neue Behörden mehr Aufträge. Durch die gutbezahlten Beamten profitiere Berlin nicht nur von mehr Steuerzahlern, sondern auch einer höherer Kaufkraft, sagte der IHK-Sprecher.

In einem Gutachten des Bundesrechnungshofs wurde allerdings 2002 ein kompletter Umzug nach Berlin als unwirtschaftlich eingeschätzt. Die Kosten von rund 5 Milliarden Euro seien höher als die der Zweiteilung der Regierungssitze. Der Hauptsitz der Finanzkontrollbehörde ist übrigens ebenfalls in Bonn.